Entscheidungsstichwort (Thema)
Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen
Leitsatz (amtlich)
Zur Vernehmung von Zeugen für einen US-Zivilprozess (pre-trial discovery) und zur Vorlage von Dokumenten.
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Geschäftswert: 500.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die vom Antragsgegner im Wesentlichen bewilligte Vernehmung eines Zeugen im Wege der internationalen Rechtshilfe auf das entsprechende Ersuchen des U. of N.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 12.11.2001 stürzte ein Airbus ... der A. kurz nach dem Start ab, wobei alle Passagiere und Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Der Unfall trat ein, als die Seitenflosse während eines Randwirbelzusammenstoßes vom Flugzeug losbrach. Vor dem US-Gericht läuft deshalb ein Verfahren mit ungefähr 260 Klagen wegen widerrechtlicher Tötung, Personenschäden und Sachschäden (Multidistrict Litigation) gegen A. und die Antragstellerin als Beklagte.
Aus im Gerichtsverfahren vorgelegten Dokumenten soll sich ergeben, dass es mindestens drei vorherige Vorfälle vergleichbarer Flugzeuge der Antragstellerin gegeben hat, in denen die Seitenflosse extremen Randkräften ausgesetzt war, die infolge von Steuerbewegungen eintraten. Der in Deutschland zu vernehmende Zeuge L., ein ehemaliger Ingenieur der Antragstellerin, soll an Untersuchungen des Absturzes und der übrigen genannten Vorfälle und an Kalkulationen der Flugzeuglasten für A. beteiligt gewesen sein. Der Zeuge soll zu seinen dementsprechenden Kenntnissen über die Untersuchungen der Vorfälle usw. auf Veranlassung der Beteiligten zu 2 und 3 befragt werden.
Das amerikanische Gericht hat sich mit einem auf dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden HBÜ) beruhenden Rechtshilfeersuchen an den Antragsgegner als Zentrale Behörde im Sinne dieses Abkommens gerichtet (AS 2) mit dem Ziel der Vernehmung dieses Zeugen anhand eines umfangreichen Fragenkataloges (AS 4). Das Ersuchen enthält unter Ziff. 4 den Antrag, dem Zeugen aufzugeben, bestimmte Dokumente vorzulegen, davon Kopien anzufertigen und sie an die Parteien auszuhändigen.
Der Antragsgegner hat mit Entscheidung vom 3.5.2007 dem Beweisaufnahmeersuchen im Wesentlichen stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bl. 21 ff. verwiesen. Unter Ziff. 4 und 5 ist ausgeführt, dass die Befragung des Zeugen ihre Begrenzung im Ausforschungsverbot finde und die Aufforderung zur Vorlage von Dokumenten unzulässig sei, soweit es sich hierbei um ein Beweisermittlungsverfahren auf Beschaffung von Urkunden nach Art. 23 des HBÜ handele. Insoweit bleibe es ausschließlich dem deutschen Gericht vorbehalten, den Zeugen zur Vorlage von Urkunden aufzufordern, soweit hierzu eine Verpflichtung nach deutschem Zivilprozessrecht bestehe.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin, der die Entscheidung zunächst nicht bekannt gemacht worden war. Sie rügt die Verletzung eigener Rechte durch die Genehmigung des Rechtshilfeersuchens. Die Vorlage von Dokumenten verstoße gegen Art. 23 HBÜ. Das streitgegenständliche Verfahren befinde sich im Stadium des "pre-trial discovery", so dass insoweit der Erledigungsvorbehalt nach § 14 des AusfG eingreife. Außerdem enthalte das Ersuchen eine Reihe von Fragen, die Ausforschungscharakter hätten und das Bestimmtheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 lit. f HBÜ oder den ordre public verletzen. Dabei fehle z.T. jeder Bezug zu spezifischen Informationen oder einem konkreten Ereignis oder Anknüpfungspunkt.
Die Antragstellerin rügt ferner die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil die Bewilligung ohne ihre vorherige Anhörung ergangen ist.
Schließlich verletze die Genehmigung den Vorbehalt aus Art. 12 Abs. 1b HBÜ, weil die in den USA anhängige Klage auf Zahlung von Strafschadensersatz (punitive damages) abziele.
Nach Hinweis des Senats auf die eingeschränkte Bewilligung der Rechtshilfe in Bezug auf die Vorlage von Dokumenten stützt die Antragstellerin ihren Antrag nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt (Bl. 58).
Sie beantragt sinngemäß, den angegriffenen Justizverwaltungsakt aufzuheben und den Antragsgegner anzuweisen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Rechtshilfeersuchen erneut zu entscheiden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Antragsschrift nebst Anlagen Bezug genommen.
II.1. Der Antrag ist zulässig nach §§ 23, 24 EGGVG, denn die Antragstellerin macht die Verletzung eigener Rechte durch die Bewilligung des Rechtshilfeersuchens geltend. Die Antragsfrist ist gewahrt, weil die Entscheidung der Antragstellerin nicht einmal zugegangen war.
2. Der Antrag ist indessen nicht begründet.
Die Bewilligung der Rechtshilfe ist unter den einschränkenden Maßgaben der erteilten Bewilligung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens an das zuständige AG durch den Antragsgegner unterliegt grundsätzlich nur eingeschränkt der Überprüfung durch den Senat. Die Antragst...