Leitsatz (amtlich)
1. Die Strafverfolgungsbehörden müssen zur Tagzeit grundsätzlich versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolgs gemäß § 81a Abs.2 StPO ist mit Tatsachen zu begründen, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind. Bei hohen Atemalkoholwerten (hier: 3,08 g o/oo) ist in der Regel hinreichend Zeit zur Einholung einer zumindest fernmündlichen richterlichen Anordnung.
2. Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Eilanordnungskompetenz des § 81a Abs.2 StPO kann im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Dies ist insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder dem Vorliegen eines besonders schweren Fehlers zu bejahen.
Normenkette
StPO § 81a Abs. 2
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck verurteilte den Angeklagten am 08.04.2009 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,- EUR. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 12.09.2008 gegen 16.45 Uhr mit dem Lkw Daimler, amtliches Kennzeichen #######, öffentliche Straßen in L., u.a. die H. Straße. Zuvor hatte er erhebliche Mengen alkoholischer Getränke genossen, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 2,66 g o/oo während der Fahrt bewirkten. Aufgrund dessen war er nicht in der Lage, ein Fahrzeug sicher zu führen, so dass er u.a. in Schlangenlinien fuhr.
Zur Beweiswürdigung führte das Amtsgericht aus, dass der ermittelnde Polizeibeamte dem Angeklagten 2,5 bis 3 km gefolgt war und beobachtet hatte, dass dieser relativ langsam und in Schlangenlinien gefahren war. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 3,08 g o/oo. Der ermittelnde Polizeibeamte ordnete eine Blutentnahme an. Er ging davon aus, dass eine solche Anordnung durch Polizeibeamte bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr wegen Gefahr im Verzug stets zulässig ist. Deshalb war es ihm auch nicht in den Sinn gekommen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Untersuchung der dem Angeklagten entnommenen Blutprobe ergab eine BAK von 2,66 g o/oo. Ein Nachtrunk kam nicht in Betracht. Der Angeklagte hatte in eine Blutentnahme nicht eingewilligt und in der Hauptverhandlung der Verwertung des Blutalkoholgutachtens widersprochen. Das Amtsgericht hielt das Ergebnis der Blutuntersuchung für verwertbar und legte es der Verurteilung zugrunde.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts, insbesondere sei die Blutentnahme unter Verstoß gegen § 81 a Abs. 2 StPO erfolgt, das Amtsgericht habe sie deshalb nicht verwerten dürfen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen, hilfsweise die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
II.
Die Sprungrevision ist zulässig und hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
1.
Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs.2 Satz 2 StPO. Mit der Revisionsbegründung werden die den Mangel begründenden Tatsachen, insbesondere durch Angaben zu der protokollierten Aussage des ermittelnden Polizeibeamten in der Hauptverhandlung und dem Inhalt des ärztlichen Untersuchungsberichts, näher dargelegt, so dass sie der Überprüfung durch den Senat zugänglich sind. Danach macht der Angeklagte zu Recht die Verletzung des Richtervorbehalts nach § 81 a Abs. 2 StPO zu seinen Lasten geltend.
a)
Nach § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst die Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2007, 1345 f.; OLG Dresden, NJW 2009, 2149 ff.; OLG Bamberg NJW 2009, 2146 ff.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs gemäß § 81 a Abs. 2 StPO, die eine Anordnung der Blutentnahme durch den ermitteln...