Leitsatz (amtlich)
Der Ersteher eines Grundstücks, das nach vorangegangener Zwangsverwaltung zwangsversteigert wird, ist nicht Rechtsnachfolger des früheren Zwangsverwalters.
Der Zuschlagsbeschluss hat die Bedeutung eines vollstreckbaren Titels und erfasst auch den besitzenden Dritten, soweit diesem kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB zusteht.
Normenkette
ZPO § 727 Abs. 1; ZVG § 93 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 27.07.2010; Aktenzeichen 1 O 330/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Schuldner wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 27.7.2010 geändert. Es wird festgestellt, dass die Zwangsvollstreckung aus der der Antragstellerin am 23.6.2010 erteilten Vollstreckungsklausel zu dem Versäumnisurteil des LG Lüneburg vom 19.3.2009 unzulässig ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Der Altgläubiger trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 100.000 EUR.
Gründe
I. Die Schuldner wenden sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zugunsten der Antragstellerin als Neugläubigerin aus einem Räumungstitel zugunsten des Altgläubigers als ehemaligem Zwangsverwalter.
Der Altgläubiger war Zwangsverwalter betreffend das Grundstück R. O. A., Zur H. W./H. in der Samtgemeinde E. Die Schuldner waren und sind Nutzer des Grundstücks durch Vermietung von Pferdeboxen sowie zu Pferdesportzwecken der Schuldnerin zu 2.
Am 19.3.2009 hat der Altgläubiger als Zwangsverwalter im Wege des Versäumnisurteils die Verurteilung der Schuldner zur Räumung des Grundstücks erwirkt. Dieses Urteil hat das LG Lüneburg auf den Einspruch der Schuldner mit Urteil vom 27.11.2009 aufrechterhalten. Die hiergegen gerichtete Berufung der Schuldner hat der 2. Zivilsenat des OLG Celle mit Beschluss vom 6.4.2010 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 1.9.2009 erhielt die Neugläubigerin in dem Zwangsversteigerungsverfahren AG W. den Zuschlag. Mit Beschluss vom 6.5.2010 hob das AG W. einschränkungslos das Zwangsverwaltungsverfahren auf.
Am 23.6.2010 erteilte das LG Lüneburg der Neugläubigerin auf deren Antrag eine Rechtsnachfolgeklausel zur Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 19.3.2009. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Schuldner hat das LG Lüneburg mit Beschluss vom 27.7.2010 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Antragstellerin als Ersteherin des Grundstücks Rechtsnachfolgerin des Zwangsverwalters sei.
Gegen den Beschluss vom 27.7.2010 richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldner vom 28.7.2010. Die Schuldner wiederholen und vertiefen vor allem unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des LG Berlin ihre Auffassung, dass die Antragstellerin als Ersteherin im Zwangsversteigerungsverfahren nicht die Rechtsstellung einer Rechtsnachfolgerin des Zwangsverwalters i.S.v. § 727 ZPO einnehme.
Die Schuldner beantragen sinngemäß, wie erkannt.
Die Antragstellerin und der Altgläubiger verteidigen den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Sachvortrags.
II. Die sofortige Beschwerde der Schuldner ist nach den §§ 567 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Die Rechtsnachfolgeklausel durfte der Antragstellerin nicht erteilt werden, weil die Voraussetzungen des § 727 ZPO nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung des LG ist die Antragstellerin als Ersteherin des Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren nicht Rechtsnachfolgerin des Zwangsverwalters.
Der Eigentumserwerb der Antragstellerin durch Zuschlagsbeschluss des AG W. vom 1.9.2009 ist ein originärer Rechtserwerb durch Hoheitsakt gem. § 90 Abs. 1 ZVG. Die Rechtsstellung der Antragstellerin als Ersteherin und Eigentümerin des Grundstücks leitet sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus der zuvor inne gehabten Stellung des Altgläubigers als Zwangsverwalter ab. Die Neugläubigerin als Ersteherin war bis zur Erteilung des Zuschlags nicht einmal beteiligt i.S.d. § 9 ZVG. Sie hatte auch sonst keine Rechtsbeziehungen zum Altgläubiger als Zwangsverwalter. Die Zwangsverwaltung ist dagegen seit dem Beschluss des AG - Vollstreckungsgerichts - W. vom 6.5.2010 aufgehoben, und zwar ohne Einschränkung (Bl. 242).
Mit Rücksicht auf diese Aufhebung kann die Rechtsnachfolge der Antragstellerin auch nicht mit der Amtsstellung des Zwangsverwalters und seiner Tätigkeit für die ehemalige Schuldnerin Frau P. begründet werden. Dass Frau P. als früherer Eigentümer des Grundstücks als Rechtsnachfolgerin des Zwangsverwalters in Betracht kommen könnte (so OLG Düsseldorf OLGZ 77, 250; ebenso Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 727 Rz. 12) mag zwar sein. Damit wird die Antragstellerin als Ersteherin aber noch nicht ihrerseits Rechtsnachfolgerin des Zwangsverwalters. Auch der gesetzgeberische Zweck des § 727 ZPO, in Fällen der Rechtsnachfolge die Voraussetzungen ...