Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühren und Kosten: Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Pflichtverteidigers für Tätigwerden im Adhäsionsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Unterbleibt in einem Adhäsionsverfahren eine grundsätzlich mögliche Beiordnung nach Maßgabe von § 404 Abs. 5 StPO, so hat der Rechtsanwalt gleichwohl einen Vergütungsanspruch nach § 89 BRAGO gegen seinen Auftraggeber, falls er insoweit tätig ist.
2. Werden die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt, hat diese auch die Verteidigervergütung zu tragen, die aus der Verteidigertätigkeit im Adhäsionsverfahren erwachsen ist.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 23.08.2005; Aktenzeichen 15 Qs 9/05) |
Gründe
1. Der Angeklagte hatte sich in vorliegendem Verfahren wegen des Vorwurfs der Misshandlung Schutzbefohlener zu verantworten. Mit Beschluss vom 19. Januar 2000 wurde ihm Rechtsanwalt S####### aus B####### als notwendiger Verteidiger beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 9. August 2001 stellte die Vertreterin des Nebenklägers den Antrag im Adhäsionsverfahren, den Antragsgegner zu verurteilen, an den Antragsteller ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Die hier angefochtene Entscheidung teilt hierzu einen Gegenstandswert in Höhe von 51.129,18 Euro mit. Mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - vom 29. August 2001 wurde der Angeklagte wegen Misshandlung Schutzbefohlener in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Überdies wurde er verurteilt, an den Geschädigten ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in einem besonderen Betragsverfahren festzusetzen sein solle. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte das Rechtsmittel der Berufung ein, wobei sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen die Strafhöhe richtete, das Rechtsmittel des Angeklagten hingegen ohne Einschränkung eingelegt wurde. Im Termin vor der 3. großen Strafkammer - Jugendkammer - am 17. November 2004 wurden die beiderseitigen Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Mit Urteil vom selben Tage wurde das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Ferner wurden die Kosten des Berufungsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt.
Unter dem 1. Dezember 2004 beantragte der Verteidiger des Angeklagten, gemäß § 89 BRAGO Gebühren der Berufungsinstanz für den Angeklagten gegen die Staatskasse in Höhe von 2.807,50 Euro festzusetzen. Mit Beschluss vom 14. April 2004 lehnte das Amtsgericht - Rechtspfleger - den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten wurde durch Beschluss des Landsgerichts Hildesheim vom 23. August 2005 im Wesentlichen mit der Begründung verworfen, dem Pflichtverteidiger stehe ein Anspruch für sein Tätigwerden im Adhäsionsverfahren nicht zu. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner weiteren Beschwerde vom 5. September 2005 und trägt vor, die Kosten des Adhäsionsverfahrens seien Teil der notwendigen Auslagen, die von der Landeskasse zu tragen seien. Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die weitere Beschwerde ist statthaft, denn die Kammer hat die weitere Beschwerde zugelassen. Hieran ist der Senat gebunden. Zwar hat die Kammer ihre Entscheidung insoweit auf § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG gestützt, obwohl der Verteidiger bereits am 19. Januar 2000 und somit vor Inkrafttreten des RVG am 1. Juli 2004 beigeordnet und auch die Berufung vor diesem Datum eingelegt wurde. Nach § 61 Abs. 1 RVG gelten für das vorliegende Verfahren somit allein die Vorschriften der BRAGO (vgl. OLG Schleswig vom 30.11.2004, 1 Ws 423/04; KG vom 27.1.2005, 5 Ws 633/05; Senatsbeschluss vom 11.2.2005, 1 ARs 253/04). Die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde folgt aber aus der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO. Das Rechtsmittel ist auch sonst in zulässiger Weise erhoben.
3. Mangels Anwendbarkeit der Vorschriften des RVG war für eine Entscheidung über die Besetzung der Kammer im Sinne von § 33 Abs. 8 RVG kein Raum. Nach den hier anzuwendenden Vorschriften der BRAGO entscheidet die Kammer stets in ihrer Besetzung mit drei Richtern. Entsprechendes gilt für den Senat.
4. Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Zu Recht rügt der Angeklagte eine Verletzung des Rechts.
a) Zwar hat die Kammer zutreffend herausgearbeitet, dass ein Tätigwerden des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Verteidigers im Adhäsionsverfahren einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse nicht auslöst (vgl. auch OLG München, StV 2004, 38; LG Bückeburg, NStZ-RR 2002, 31; Riedel/Sußbauer, 8. Aufl., § 89 Rn. 1; Gerold/Schmidt/vonEicken/Madert, 14. Aufl., § 97 Rn. 4). Insoweit kann auf die Gründe der angefoc...