Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebenklage. Beistand. Ersatzbeistand. Beistandsbestellung. Opferanwalt. Terminsverhinderung. Bestellung eines Ersatz-Beistands für den nach § 397a Abs. 1 und 3 StPO beigeordneten Opferanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der gemäß § 397a Abs. 1 StPO bestellte Beistand in der Hauptverhandlung an einem Verhandlungstag aus wichtigem Grund verhindert, ist dem Antrag des Nebenklägers auf Bestellung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts als Ersatzbeistand für diesen Termin in der Regel zu entsprechen.
2. Eine Ausnahme kommt u.a. in Betracht, wenn für den bestellten Beistand ein anderer Rechtsanwalt nach § 53 BRAO zum allgemeinen Vertreter bestellt worden ist. Gleiches gilt, wenn in dem Verhandlungstermin, in dem der Beistand verhindert ist, nur Verfahrensgegenstände verhandelt oder Beweise erhoben werden, die mit der zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Tat in keinem relevanten Zusammenhang stehen.
3. Bei fehlerhafter oder unterbliebener Bescheidung des Beiordnungsantrags durch das Tatgericht kann der Ersatzbeistand rückwirkend im Beschwerderechtszug bestellt werden.
Normenkette
StPO § 395 Abs. 1-2, §§ 397, 397a Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 08.03.2024; Aktenzeichen 1 Ks 108/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Nebenkläger wird der Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichts des Landgerichts Verden vom 08.03.2024 aufgehoben.
2. Den Nebenklägern wird für den Hauptverhandlungstermin vom 08.03.2024 Rechtsanwältin V. K. als Beistand bestellt (§ 397a Abs. 1 StPO).
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hier entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer sind zugelassene Nebenkläger in dem vorliegenden vom Schwurgericht des Landgerichts Verden gegen den Angeklagten F. M. geführten Strafverfahrens wegen des Tatvorwurfs des Totschlags zum Nachteil seiner Lebensgefährtin und weiterer Straftaten. Das Tatopfer ist die Tochter bzw. Schwester der Nebenkläger.
Die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht hat am 29.02.2024 begonnen und dauert an. Den Nebenklägern wurde im Eröffnungsbeschluss des Schwurgerichts bzw. am ersten Sitzungstag Rechtsanwältin C. Cl. als Nebenklagevertreterin nach § 397a Abs. 1 StPO beigeordnet. Da sie am 2. Sitzungstag, dem 08.03.2024, verhindert war, erschien Rechtsanwältin . K. in der Verhandlung und stellte in Absprache mit Rechtsanwältin C. den Antrag, den Nebenklägern für diesen Sitzungstag nach § 397a Abs. 1 StPO beigeordnet zu werden. Dies lehnte der Vorsitzende des Schwurgerichts mit der Begründung ab, dass für die begehrte Beiordnung keine gesetzliche Grundlage gegeben sei, in § 226 Abs. 1 StPO die Anwesenheit des Nebenklagevertreters in der Hauptverhandlung nicht zwingend vorgeschrieben und daher bei dessen Verhinderung die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts nicht erforderlich sei. Es lägen auch keine sonstigen besonderen Umstände vor, die eine Beiordnung von Rechtsanwältin K. gebieten würden.
Gegen diese Entscheidung haben die Nebenkläger Beschwerde eingelegt. Sie wenden im Wesentlichen ein, Rechtsanwältin C. habe dem Vorsitzenden des Schwurgerichts rechtzeitig mitgeteilt, dass sie am Sitzungstag des 08.03.2024 verhindert sein würde. Angesichts des Tatvorwurfs und eines aus Sicht der Nebenkläger aufzuklärenden möglichen Mordmotivs sei ihre durchgehende anwaltliche Vertretung in der Hauptverhandlung geboten. Die Beiordnung von Rechtsanwältin K. in der Sitzung vom 08.03.2024 sei daher zu Unrecht abgelehnt worden, zumal hierdurch keine Mehrkosten angefallen wären, da sie lediglich die für diesen Tag anfallende Terminsgebühr geltend gemacht hätte.
Das Schwurgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.03.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde der Nebenkläger hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Beiordnung von Rechtsanwältin K. als Vertreterin der Nebenkläger für den Hauptverhandlungstermin vom 08.03.2024.
1.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Beiordnung eines Opferanwalts nach § 397a Abs. 1 StPO ist die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft. Zwar handelt es sich um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung und unterliegen derartige Entscheidungen nach § 305 S. 1 StPO grundsätzlich nicht der Beschwerde. Eine Ausnahme gilt nach § 305 S. 2 StPO jedoch dann, wenn von der Entscheidung eine dritte Person betroffen ist. Dies ist bei der Ablehnung des Antrags eines Nebenklägers auf Beiordnung eines Opferanwalts nach § 397a Abs. 1 StPO der Fall (vgl. OLG Hamburg, NStZ-RR 2013, 153; Weißer/Duesberg in Gehrke/Temming/Zöller, StPO, 7. Aufl. 2023, § 397a Rd. 19 mwN; Wenske in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2022, § 397a Rd. 41).
2.
Die Beschwerde der Nebenkläger ist auch begründet.
a)
Die Zulassung der N...