Entscheidungsstichwort (Thema)
Über die isolierte Feststellung des deliktischen Anspruchsgrundes von Unterhaltsansprüchen entscheidet das Familiengericht. Haftung des Unterhaltsschuldner für rückständigen Kindesunterhalt nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aufgrund unerlaubter Handlung
Leitsatz (amtlich)
1. Für das Feststellungsbegehren, dass ein zur Insolvenztabelle festgestellter Anspruch auf (Kindes-) Unterhalt entgegen dem vom Schuldner erhobenen Widerspruch i.S.v. § 74 Abs. 2 InsO auch auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage"), ist als Unterhaltssache gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 FamFG das Familiengericht zuständig; das gilt insbesondere auch dann, wenn die Unterhaltsforderung als solche bereits gerichtlich tituliert ist (Anschluss KG - Beschl. v. 30.8.2011 - 18 WF 93/11, FamRZ 2012, 138 ff. = NJW-RR 2012, 201 ff. = ZInsO 2011, 1843 ff. = ZVI 2011, 462 ff.; gegen OLG Rostock - Beschl. v. 14.1.2011 - 10 WF 4/11, FamRZ 2011, 910 in einem obiter dictum).
2. Zur (bejahten) deliktischen Haftung des Unterhaltschuldners aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 170 StGB, der sein in deutlich mehr als ausreichender Höhe tatsächlich an ihn ausgezahltes Einkommen aus freien Stücken zu erheblichen Leistungen auf Darlehen für eine nach eigener Erkenntnis in keinem Fall haltbare, bereits zum Verkauf stehende und nicht mehr selbst bewohnte Immobilie statt für den bereits gerichtlich geltend gemachten Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder verwendet.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; StGB § 170; InsO § 302 Nr. 1, § 184 Abs. 1, § 174 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 01.11.2010; Aktenzeichen 612 F 4439/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 1.11.2010 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren mit ihren Antrag aus dem Schriftsatz vom 3.9.2010 Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. W. in Hannover bewilligt.
Gründe
I. Die Beteiligten waren bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens am 6.9.2010 getrenntlebende Ehegatten. Ihre beiden 2000 und 2002 geborenen Kinder S. und S. leben seit der zum Juli 2007 erfolgten Trennung der Beteiligten in der Obhut der Antragstellerin, die als Prozessstandschafterin gem. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB die Kindesunterhaltsansprüche in eigenem Namen geltend macht. Mit Senatsurteil vom 7.4.2009 ist der Antragsgegner für die Zeit ab Juli 2007 zu Kindesunterhalt in Höhe der Mindestunterhaltsbeträge abzgl. zeitweilig erbrachter Zahlungen und Leistungen verurteilt worden.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: der Antragsgegner war im streitgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer einer Gesellschaft tätig, deren Alleingesellschafterin eine nahe Verwandte war; diese hatte ihm Ende Mai 2007 für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen einen erheblichen Betrag gezahlt. Aus seiner Tätigkeit erhielt er - neben dem Bezug erheblicher Sachleistungen - einen Betrag von 1.600 EUR ausbezahlt. Er war weiter Alleineigentümer einer vollständig fremdfinanzierten Wohnimmobilie, deren Belastung ihren Wert zumindest vollständig ausschöpfte. Da er sich bewusst war, dass die Immobilie nicht gehalten werden konnte, wurde unter Mitwirkung der finanzierenden Sparkasse deren Verkauf betrieben. Im Rahmen eines Wohnungszuweisungsverfahrens hatten sich die Beteiligten vergleichsweise dahin geeinigt, dass die Antragstellerin mit den Kindern die Immobilie bis zu dem bevorstehenden Verkauf weiter bewohnen konnte. Neben einzelnen Zahlungen auf Hortkosten und Essensgeld hat der Antragsgegner - auch nach vorläufig vollstreckbarer erstinstanzlicher Verurteilung und deren Rechtskraft durch Rücknahme der eigenen Berufung - keinerlei Kindesunterhalt geleistet; insofern hat er sich auf eine weiterhin erfolgte laufende Bedienung der mit 1.160 EUR vereinbarten Raten für die Immobilie berufen.
Nachdem mit Beschluss des AG Hannover vom 10.3.2010 über das Vermögen des Antragsgegners das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt aus der Zeit von Juni 2007 bis Juli 2009 i.H.v. insgesamt 4.887,93 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet und dabei geltend gemacht, es handele sich um eine Forderung aus unerlaubter Handlung. Während nach dem vorgelegten Auszug aus der Insolvenztabelle die Forderung selbst festgestellt worden ist, hat der Antragsgegner - allein - der Qualifikation als Forderung aus unerlaubter Handlung widersprochen.
Mit am 6.9.2010 beim AG eingegangenem Schriftsatz vom 3.9.2010 hat die Antragstellerin "Klage" auf Feststellung erhoben, dass ihr die in der Insolvenztabelle eingetragene Forderung über 4.887,93 EUR aus "unerlaubter Handlung" gem. § 174 Abs. 2 InsO zusteht, und zugleich für das Verfahren um Bewilligung von "Prozesskostenhilfe" (PKH) unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.
Innerhalb des AG ist das Verfahren als Familiensache eingetragen und geführt worden. Nach Gewährung von rechtlichem Gehör für d...