Entscheidungsstichwort (Thema)
Ankündigung eines bedingten Übels als Drohung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ankündigung eines Übels für den Fall einer bestimmten Reaktion auf ein etwaiges zukünftiges Verhalten des Täters kann eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB sein. Bereits durch die Androhung eines derart bedingten Übels kann eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung begründet werden.
2. Von einer solchen versuchten Nötigung kann der Täter unter Umständen dadurch, dass er von dem zur Bedingung für die Übelszufügung gemachten eigenen zukünftigen Verhalten Abstand nimmt, strafbefreiend zurücktreten.
Normenkette
StGB §§ 22-23, 240 Abs. 1
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Stadthagen - Strafrichter - hatte den Angeklagten am 29. Februar 2016 wegen versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 3, 22, 23 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,- € verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg mit Urteil vom 10. Januar 2017 als unbegründet verworfen.
Hiergegen wendet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Die zulässige Revision des Angeklagten führt zu dessen Freispruch.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte wollte sich am 1. August 2015 an einer Demonstration von Neonazis in B. N., dem so genannten "Trauermarsch" zum "W.", beteiligen. Weil der Bahnverkehr in Richtung B. N. ab dem Bahnhof H. eingestellt war, mussten die Versammlungsteilnehmer etwa 45 Minuten zu Fuß von H. nach B. N. laufen. Der Angeklagte beteiligte sich an diesem in der Zeit zwischen 13.00 Uhr und 13.45 Uhr stattfindenden Fußmarsch, der von der Polizei begleitet und über Nebenstraßen geleitet wurde. Aus Sicherheitsgründen wurden die Teilnehmer dieses Demonstrationszuges von den diesen begleitenden Polizeibeamten angehalten, am rechten Fahrbahnrand zu laufen, denn die Straßen, über die sich die Demonstranten in Richtung B. N. bewegten, waren nicht abgesperrt. Der Angeklagte ging innerhalb des Zuges der Veranstaltungsteilnehmer an der Spitze des Marsches. Dabei trug er eine etwa einen Meter lange und etwa fünf Zentimeter dicke Fahnenstange bei sich. Neben dem Angeklagten ging der Polizeibeamte K.
Der Angeklagte ging während des Fußmarsches - entgegen der polizeilichen Anweisung - wiederholt mitten auf der Straße. Der Polizeibeamte K. forderte ihn deshalb mehrfach auf, sich zurück an den rechten Fahrbahnrand zu begeben und in den Zug der Veranstaltungsteilnehmer einzuscheren. Der Angeklagte widersetzte sich diesen Aufforderungen wiederholt. Der Polizeibeamte K. wandte deshalb letztlich einfache körperliche Gewalt gegen den Angeklagten an, indem er diesen leicht am linken Arm schob und so an den rechten Fahrbahnrand zurückführte.
Der Angeklagte reagierte auf die Aufforderungen und das leichte Schieben des Polizeibeamten K., indem er anschließend zu diesem sagte: "Pass auf oder ich knüppel dich nieder!"
Der Angeklagte tätigte diese Äußerung gegenüber dem Polizeibeamten K., damit dieser es unterlassen sollte, ihn ein weiteres Mal an die rechte Fahrbahnseite und in den Demonstrationszug zu verweisen. Der Polizeibeamte K. nahm die Drohung ernst, und zwar insbesondere angesichts der Fahnenstange, die der Angeklagte mit sich führte.
In der Folgezeit versuchte der Angeklagte indes nicht mehr, in der Mitte der Straße zu gehen.
II.
Der Angeklagte ist freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO). Ein Freispruch durch das Revisionsgericht erfolgt, wenn die fehlerfrei und erkennbar vollständig getroffenen Feststellungen ergeben, dass sich der Angeklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar gemacht hat und weitere Feststellungen, die zu einer Verurteilung führen könnten, auch unter Berücksichtigung des Gebots umfassender Sachaufklärung und erschöpfender Beweiswürdigung nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 StR 24/16, BGHSt 61, 208 m.w.N.; KK-StPO-Gericke, 7. Aufl. 2013, § 354 Rn. 3). Dies ist vorliegend der Fall.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht.
a) Zwar hat der Angeklagte ausweislich der getroffenen Feststellungen des Landgerichts den Tatbestand der versuchten Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 3, 22, 23 StGB erfüllt. Die Äußerung des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten K. "Pass auf oder ich knüppel dich nieder!" stellt eine Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Mit dieser Drohung wollte der Angeklagte erreichen, dass der Polizeibeamte K. den Angeklagten im Falle von dessen erneutem Ausscheren aus dem Zug der Marschierenden in die Mitte der Fahrbahn nicht ein weiteres Mal an die rechte Fahrbahnseite verweisen, sondern gewähr...