Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung: Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entstehung einer Einigungsgebühr setzt auf beiden Seiten ein Mindestmaß an Nachgeben voraus, das sich aber nicht notwendigerweise auf das streitige Rechtsverhältnis beziehen muss.
2. Eine Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren entsteht nicht, wenn die Einigung der Parteien nicht zu einer verbindlichen und verfahrensbeendenden Regelung des Sorgerechtsstreits führt.
3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein gerichtliches Sorgerechtsverfahren umfasst nicht den Abschluss eines Vergleiches zum gerichtlich nicht anhängigen Umgangsrecht.
Normenkette
RVG-VV Nrn. 1000, 1003
Verfahrensgang
AG Lüneburg (Beschluss vom 15.07.2008; Aktenzeichen 37 F 111/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluss des AG - FamG - Lüneburg vom 15.7.2008 abgeändert.
Die Erinnerung des Antragstellervertreters gegen den Festsetzungsbeschluss des AG Lüneburg vom 4.6.2008 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute, die für das gemeinsame Kind K. die gemeinsame elterliche Sorge ausüben. In einem isolierten Sorgerechtsverfahren wurde die Antragstellerin, die eine Übertragung der Alleinsorge für K. auf sich begehrte, von dem Rechtsanwalt S. vertreten. Der Antragsgegner ist dem Sorgerechtsantrag entgegengetreten.
Im Anhörungstermin am 21.5.2008 wurde der Antragstellerin zu gerichtlichem Protokoll ratenzahlungsfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S. beigeordnet. Nach der Anhörung des Kindes und nach dem Bericht des Jugendamtes wurde das Folgende zu Protokoll genommen:
"Die Sach und Rechtslage wird erörtert. Es besteht zwischen den Anwesenden Einigkeit darüber, dass Umgangskontakte des Antragsgegners mit dem gemeinsamen Sohn K. wieder angebahnt werden sollen mit Hilfe des Kreisjugendamts. Der Antragstellervertreter erklärt: Im Hinblick auf die anzubahnenden Umgangskontakte soll ein Sorgerechtsantrag heute nicht gestellt werden."
Rechtsanwalt S. hat im Festsetzungsverfahren beantragt, zu seinen Gunsten auch eine Einigungsgebühr festzusetzen. Die Urkundsbeamtin (Rechtspflegerin) hat dies durch Beschluss vom 4.6.2008 abgelehnt. Auf die Erinnerung des Rechtsanwaltes S. hat der Familienrichter die Entscheidung der Rechtspflegerin abgeändert und eine 1,0 Einigungsgebühr i.H.v. 189 EUR nebst Umsatzsteuer i.H.v. 35,91 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1003 entstanden sei, weil die Parteien den Streit über das Sorgerecht in der Weise beigelegt hätten, dass sie sich auf der einen Seite über die Wiederanbahnung der Umgangskontakte geeinigt hätten und die Antragstellerin dafür ihren Antrag auf Übertragung der Alleinsorge nicht weiter verfolgt habe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin.
II. Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Landeskasse hat in der Sache Erfolg.
1. Die Bezirksrevisorin beanstandet zu Recht die Festsetzung einer Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren.
a) Allerdings ist die Entstehung einer Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren grundsätzlich möglich. Zwar unterliegen die Sorgerechtsregelung nicht der Verfügungsbefugnis der Parteien. Andererseits machen die in der Neuregelung des § 1671 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommene Stärkung des Vorschlagsrechts der Eltern und die damit einhergehende Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfanges deutlich, dass die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen durchaus verbindliche Regelungen zum Sorgerecht treffen können, von denen das Gericht in seiner danach zu treffenden Entscheidung nicht abweichen kann. Dies rechtfertigt nach ganz herrschender und zutreffender Auffassung die Zuerkennung einer Einigungsgebühr für den Anwalt, der durch seine Bemühungen an der Beilegung eines zuvor bestehenden Streits über das Sorgerecht mitgewirkt hat (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1832. OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 637. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 741, 743. OLG Koblenz FamRZ 2005, 1846 f.).
b) Die Entstehung einer Einigungsgebühr im gerichtlichen Sorgerechtsverfahren scheitert unter den obwaltenden Umständen aber schon am Fehlen einer verbindlichen und verfahrensbeendenden Regelung über den Streitgegenstand. Die im Namen der Antragstellerin abgegebene Protokollerklärung, heute im Hinblick auf die anzubahnenden Umgangskontakte keinen Sorgerechtsantrag zu stellen, erschöpft sich jedenfalls nach dem reinen Wortlaut in dem Zugeständnis, den anhängigen Sorgerechtsstreit vorläufig nicht weiter fördern zu wollen. Schlichte Vereinbarungen zur Prozessführung, wonach der Rechtsstreit einstweilen nicht weiter geführt werden soll, lösen indessen keine Einigungsgebühr aus (MüllerRabe in: Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. Nr. 1000 RVGVV Rz. 161. vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 388. ...