Leitsatz
Nachdem geschiedene Eltern die elterliche Sorge für ihr Kind zunächst gemeinsam ausgeübt hatten, beantragte die Ehefrau die Übertragung der Alleinsorge auf sich. Der Ehemann trat dem Sorgerechtsantrag entgegen. Im Anhörungstermin wurde der Ehefrau Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Anwalt beigeordnet. Nach der Anhörung des Kindes und dem Bericht des Jugendamtes einigten sich die Parteien darauf, dass Umgangskontakte des Ehemannes mit dem gemeinsamen Sohn wieder angebahnt werden sollten mithilfe des Kreisjugendamtes. Im Hinblick auf die anzubahnenden Umgangskontakte sah der Vertreter der Ehefrau davon ab, im Termin einen Sorgerechtsantrag zu stellen.
Der der Ehefrau beigeordnete Anwalt beantragte im Festsetzungsverfahren, zu seinen Gunsten auch eine Einigungsgebühr festzusetzen. Die Urkundsbeamtin hat dies abgelehnt. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat der Familienrichter die Entscheidung der Rechtspflegerin abgeändert und eine 1,0 Einigungsgebühr festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1003 entstanden sei, weil die Parteien den Streit über das Sorgerecht in der Weise beigelegt hätten, dass sie sich auf der einen Seite über die Wiederanbahnung der Umgangskontakte geeinigt hätten und die Ehefrau im Gegenzug dafür ihren Antrag auf Übertragung der Alleinsorge nicht weiterverfolge.
Die Entscheidung des FamG wurde von der Bezirksrevisorin mit der Beschwerde angegriffen. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die Bezirksrevisorin beanstande zu Recht die Festsetzung einer Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren.
Zwar sei grundsätzlich die Entstehung einer Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren möglich, obgleich die Sorgerechtsregelung nicht der Verfügungsbefugnis der Parteien unterliege. Andererseits machten die in der Neuregelung des § 1671 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Stärkung des Vorschlagsrechts der Eltern und die damit einhergehende Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs deutlich, dass die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen durchaus verbindliche Regelungen zum Sorgerecht treffen könnten, von denen das Gericht in seiner danach zu treffenden Entscheidung nicht abweichen könne. Dies rechtfertige nach herrschender und zutreffender Auffassung die Zuerkennung einer Einigungsgebühr für den Anwalt, der durch seine Bemühungen an der Beilegung eines zuvor bestehenden Streits über das Sorgerecht mitgewirkt habe (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1832. OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 637. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 741, 743. OLG Koblenz FamRZ 2005, 1846 f.).
Im vorliegenden Fall fehlte es nach Auffassung des OLG an einer verbindlichen und verfahrensbeendenden Regelung über den Streitgegenstand. Die im Namen der Ehefrau abgegebene Protokollerklärung, heute im Hinblick auf die anzubahnenden Umgangskontakte keinen Sorgerechtsantrag zu stellen, erschöpfe sich jedenfalls nach dem reinen Wortlaut in dem Zugeständnis, den anhängigen Sorgerechtsstreit vorläufig nicht weiter fördern zu wollen. Eine Einigungsgebühr werde hierdurch nicht ausgelöst.
Selbst bei einer unzweifelhaft verfahrensbeendenden Maßnahme - hier etwa eine Antragsrücknahme - wäre nach Auffassung des OLG eine Einigungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1000, 1003 nicht zur Entstehung gelangt. Eine solche könne entstehen, wenn beide Elternteile nach einer Einigung über den Fortbestand der elterlichen Sorge von gegenläufigen Sorgerechtsanträgen Abstand nähmen oder wenn sich die Parteien auf einen Vorschlag ggü. dem Gericht verständigten, dem auf Übertragung der elterlichen Alleinsorge antragenden Elternteil das Sorgerecht nur für einen Teilbereich zur alleinigen Ausübung zu überlassen. Das für die Entstehung einer Einigungsgebühr erforderliche Mindestmaß an Nachgeben werde regelmäßig nicht dadurch erreicht, dass der Antragsteller eines Sorgerechtsverfahrens von der begehrten einseitigen Übertragung der Alleinsorge schlicht Abstand nehme, weil der Antragsgegner in diesem Falle mit seinem auf Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichteten Rechtsschutzziel voll durchdringe.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Beschluss vom 08.08.2008, 17 WF 110/08