Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgerliches Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein Bieter auszuschließen ist, weil er in seinem Angebot unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

2. Bei der Feststellung, ob ein unangemessen niedriges Angebot vorliegt, ist grundsätzlich auf den Preis des Gesamtangebots abzustellen, auf Einzelpositionen ausnahmsweise dann, wenn diese einen gewichtigen Teil des Gesamtangebots ausmachen.

 

Normenkette

VOB/A §§ 2, 25

 

Verfahrensgang

VK Nds Landesamt für Straßenbau (Beschluss vom 17.07.2001; Aktenzeichen VK 1/2001)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 31. August 2001 gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau vom 17. Juli 2001 (Az. VK 1/2001) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Entscheidung nach § 118 Abs. 2 GWB zu tragen.

Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten der Auftraggeberin und der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu tragen.

Beschwerdewert: bis zu 410.000 DM.

 

Tatbestand

I.

Mit Verfügung vom 20. März 2001 eröffnete die Auftraggeberin das europaweite Vergabeverfahren betreffend den ersten Teilabschnitt einer beabsichtigten Grundsanierung der Bundesautobahn A 39, hier zwischen den Abfahrten … und … (km 26,167 bis km 29,500).

Nach Veröffentlichung der Ausschreibung im offenen Verfahren wurden ab dem 26. April 2001 die Unterlagen an die Bewerber versandt. Mit Verfügung vom 17. Mai 2001 wurden die Vergabeunterlagen teilweise geändert. Diese Änderungen betrafen u. a. die unter den Positionen 1.0.002 bis 1.0.006 ausgeschriebenen Markierungsarbeiten (Längsmarkierung). Statt Farbe sollte Folie verwendet werden.

Die Beigeladene bot die ausgeschriebenen Leistungen für 8.865.222,63 DM brutto an. Das Angebot der Antragstellerin belief sich auf 9.378.246,93 DM incl. Mehrwertsteuer.

Anfang Juni 2001 bat die Auftraggeberin die Beigeladene um Mitteilung der Grundlagen für die Preisermittlung bzgl. der Längsmarkierung und des Bindemittels für die Verfestigung. Dem kam die Beigeladene nach und legte ihre Kalkulation teilweise offen. Für das in den Positionen 0.7.006 bzw. 0.07.016 ausgeschriebene Bindemittel (3800 t Pectacrete-Zement) ergab sich aus der Kalkulation ein Einheitspreis von 160 DM/t. Im Angebot der Beigeladenen war das Bindemittel mit einem Einheitspreis von 0,01 DM/t berücksichtigt.

Am 21. Juni 2001 verständigte die Auftraggeberin die Beigeladene darüber, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei, weil die Preise unangemessen niedrig seien. Sie bezog sich auf die Positionen OZ 0.7.006 und 0.7.016 sowie 1.0.002 bis 1.0.006 des Leistungsverzeichnisses, also das Bindemittel und die Markierungen.

Aus der offen gelegten Kalkulation ergab sich, dass die Beigeladene die Markierungs- und Verfestigungsarbeiten von Nachunternehmern durchführen lassen wollte (Pos. 1.0.002 bis 1.0.006 und 0.7.005 bzw. 0.7.015). Unter dem 25. Juni 2001 bat die Auftraggeberin um Aufklärung, weil sich dies aus dem Nachunternehmerverzeichnis nicht ersehen lasse.

Mit Fax vom 26. Juni 2001 benannte die Beigeladene je zwei mögliche Nachunternehmer für die Verfestigungs- und Markierungsarbeiten. Allein die erstgenannten Arbeiten könne sie auch selbst ausführen.

Auf weitere Nachfrage erklärte die Beigeladene mit Schreiben vom 27. Juni 2001,

„dass wir die im Rahmen unseres o. g. Angebotes angebotenen Leistungen entsprechend der Vorgaben der Leistungsbeschreibung sowie der LVTexte bepreist haben und die angebotenen Leistungen entsprechen[d] Ihrer Ausschreibung und deren Ergänzungen auf Grundlage unserer Angebotspreise abrechnen werden”.

Angebote von Nachunternehmern für die Markierungsarbeiten holte die Beigeladene jedoch erst Anfang Juli 2001 ein. Dies erfuhr die Antragstellerin am 4. Juli 2001 und teilte es der Auftraggeberin mit Schreiben vom 5. Juli 2001 mit.

In der Zwischenzeit hatte das Nds. Landesamt für Straßenbau die Auftraggeberin angewiesen, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Auf den Vergabevermerk vom 3. Juli 2001 nebst handschriftlichen Änderungen wird Bezug genommen.

Unter dem 6. Juli 2001 teilte die Auftraggeberin den Bietern gemäß § 13 VgV

mit, dass sie beabsichtige, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Am 17. Juli 2001 ging bei der Vergabekammer ein Antrag der Antragstellerin nach §§ 107, 111 GWB vom gleichen Tage ein.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Beigeladene sei nach § 25 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen, weil sich die beabsichtigte Beauftragung von Nachunternehmern für die Verfestigungs- und Markierungsarbeiten dem Nachunternehmerverzeichnis nicht habe entnehmen lassen. Die Zulassung einer nachträglichen Benennung würde den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzten, weil ein Bieter in Kenntnis der anderen Angebote günstige Nachunternehmerangebote einholen könnten.

Weiter sei das Angebot der Beigeladenen auch deshalb unvollständig i. S. v. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, weil sie die...

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