Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe: Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung in der Verfahrenskostenhilfe.
Normenkette
ZPO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Lüneburg (Beschluss vom 21.01.2010; Aktenzeichen 29 F 236/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lüneburg vom 21.1.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe in einer Ehesache. Durch Verfügung vom 12.1.2010 forderte das AG die Antragstellerin u.a. zur Vorlage der ungeschwärzten Kontounterlagen sämtlicher vorhandener Konten der letzten sechs Monate auf. Die Antragstellerin vertrat daraufhin schriftsätzlich die Auffassung, zur Vorlage der angeforderten Kontounterlagen nicht verpflichtet zu sein, weil das AG bereits auf der Grundlage der eingereichten Formularerklärung nebst den zahlreichen beigefügten Belege eine Entscheidung über die Bedürftigkeit der Antragstellerin treffen könne. Das AG wies sodann den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin zurück, weil sie ihre Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
1. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann das Gericht verlangen, dass der Hilfesuchende seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Diese Befugnis bezieht sich auf alle Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe, mithin auch auf die Tatsachen, aus denen der Hilfesuchende seine Verfahrenskostensarmut herleitet (Zöller/Geimer ZPO, 28. Aufl., § 118 Rz. 16. Musielak/Fischer ZPO, 5. Aufl., § 118 Rz. 8). Das Gericht kann von dem Hilfesuchenden nicht nur verlangen, dass die Tatsachen glaubhaft macht. das Gericht kann darüber hinaus auch konkret bestimmen, auf welche Weise der Hilfesuchende etwas glaubhaft machen soll. Das Gericht kann dabei insb. die Vorlage von Urkunden anordnen (§ 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Kommt der Hilfesuchende insoweit den Anforderungen des Gerichts nicht nach, ist Verfahrenskostenhilfe gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu versagen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass der Hilfesuchende die Verfahrenskosten selbst bezahlen kann.
Wie weit und auf welche Weise Glaubhaftmachung von dem Hilfesuchenden verlangt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des mit der Verfahrenskostenhilfebewilligung befassten Gerichts (Zöller/Geimer, a.a.O.). Die entsprechenden Anordnungen des Gerichts erster Instanz unterliegen selbst nicht der Beschwerde. Dem Senat ist im Beschwerdeverfahren lediglich die Frage angefallen, ob das AG wegen der Weigerung der Antragstellerin, die von ihr angeforderten Kontoauszüge vorzulegen, mit Recht nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgegangen ist. Der Senat kann aus diesem Grunde im Beschwerdeverfahren bezüglich der Anordnung zur Vorlage von Kontoauszügen nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des amtsgerichtlichen Ermessens setzen, sondern die Anordnung des AG lediglich daraufhin überprüfen, ob das AG von seinem Ermessen einen offensichtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Denn nur dann wäre die Antragstellerin berechtigt gewesen, die gerichtliche Anordnung erster Instanz zu missachten.
2. Auch nach diesen eingeschränkten Maßstäben begegnet die Entscheidung des AG Bedenken.
a) Dies gilt allerdings noch nicht grundsätzlich für die Anordnung, Angaben aus der Formularerklärung zu den Einkommens und Vermögensverhältnissen durch Vorlage von Kontoauszügen glaubhaft zu machen.
aa) Prozess bzw. Verfahrenskostenhilfe ist eine spezialgesetzlich geregelte Form der Sozialhilfe auf dem Gebiet der Rechtspflege (BGH Beschluss vom 30.9.2009 - XII ZB 135/07, FamRZ 2009, 1994 [Tz. 9]). Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Diese Obliegenheiten aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I gelten grundsätzlich für alle Sozialleistungsbereiche des SGB, mithin auch für die Sozialhilfe nach dem SGB XII (vgl. OVG NordrheinWestfalen NVwZRR 1999, 125, 126 zum BSHG). § 118 Abs. 2 ZPO stellt - soweit es die Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit angeht - lediglich die Ausprägung der allgemeinen und im gesamten Sozialleistungsrecht anzutreffenden Mitwirkungspflicht des Anspruchstellers dar. Es liegt deshalb nahe, für die Beurteilung der Grenzen der Befugnisse des mit der Verfahrenskostenhilfeprüfung befassten Gerichts auf diejenigen Grundsätze zurückzugreife...