Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsumfang anstaltsärztlicher Maßnahmen im Justizvollzug
Leitsatz (amtlich)
1. Jede ärztliche Maßnahme des Anstaltsarztes im Justizvollzug stellt eine Regelung im Sinne des § 109 StVollzG dar und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.
2. Nur im Rahmen der Begründetheit gilt der eingeschränkte Prüfungsumfang, ob die Grenzen des pflichtgemäßen ärztlichen Ermessens eingehalten worden sind.
Normenkette
JVollzG ND §§ 57, 102; StVollzG §§ 56, 58, 109
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Entscheidung vom 23.02.2018; Aktenzeichen StVK 489/17) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2018 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Feststellungsantrag des Antragsstellers vom 1. Dezember 2017 hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der seitens des Anstaltsarztes vorgenommenen Reduzierung der Schmerzmedikation (hier: Novalgin von 6 x 500mg auf 3 x 500mg täglich) nicht unzulässig, sondern unbegründet ist.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller verbüßt in der JVA ... eine lebenslange Haftstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 17.11.2006. Darüber hinaus ist Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Antragsteller wurde im Jahr 2016 wiederholt an der Bandscheibe operiert. Seitens des Anstaltsarztes wurden zur Linderung von Schmerzen unter anderem dreimal täglich jeweils zwei Einheiten Novalgin (Metamizo) zu 500mg verabreicht. Am 16.11.2017 wurde seitens des Anstaltsarztes die Dosierung auf dreimal täglich jeweils eine Einheit Novalgin 500mg herabgesetzt.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16.11.2017 begehrte der Antragsteller, dass die Herabsetzung der Dosierung rückgängig gemacht wird. Er führte unter anderem an, dass er aufgrund der Operationen unter einem chronischen Schmerzsyndrom leide. Er erleide weiter Schmerzen und halte die Reduzierung für willkürlich und entgegen der ärztlichen Kunst. Er habe einen gesetzlichen Anspruch auf medizinische Versorgung, wozu auch eine Schmerztherapie gehören würde.
Aufgrund des Umstandes, dass die Dosierung seitens des Anstaltsarztes auf die ursprüngliche Menge ab dem 25.11.2017 erhöht wurde, wurde seitens des Antragstellers beantragt, festzustellen, dass die Reduzierung des Medikamentes Novalgin von 6x 500mg täglich auf 3x 500mg täglich ab dem 16.11.2017 rechtswidrig war.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2018 wies die Strafvollstreckungskammer den Feststellungsantrag als unzulässig zurück.
Die Strafvollstreckungskammer führt aus, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Form eines verbleibenden Feststellungsantrages bereits unzulässig sei, da es sich bei dem vom Antragsteller beanstandeten Geschehen (Erhalt einer vermeintlich zu geringen Dosierung des Medikamentes Novalgin) schon nicht um eine Maßnahme auf dem Gebiet des Justizvollzugs handeln würde. Die Kammer führt weiter aus, dass auch ärztliches Handeln grundsätzlich die Rechte eines Gefangenen verletzen könne, da ein Strafgefangener Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arzneimitteln hat, wenn dies im Rahmen der Krankenpflege zur Erhaltung der körperlichen oder geistigen Gesundheit erforderlich ist (§§ 56, 58 StVollzG). Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe der Begriff der "Maßnahme" in § 109 StVollzG nicht dergestalt eng ausgelegt werden, dass die Angemessenheit der medizinischen Behandlung von Strafgefangenen der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Es sei zu berücksichtigen, dass eine nicht fachgerechte medizinische Behandlung oder Nichtbehandlung eines Strafgefangenen dessen Rechte -insbesondere das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG - verletzen könne und dass Art. 19 Abs. 4 GG daher eine Auslegung des Maßnahmebegriffs des § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG verbiete, die die Angemessenheit der medizinischen Behandlung von Strafgefangenen der gerichtlichen Überprüfung entziehen würde.
Einschränkend führt die Strafvollstreckungskammer unter Anschluss an das OLG, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 20 Ws 257/14, jedoch aus, dass ein im Wege der §§ 109 ff. StVollzG verfolgbarer Anspruch "in erster Linie" in den Fällen bestehen würde, in denen es um Fragen der Art und Weise des Zugangs zur ärztlichen Versorgung und Medikamenten geht, z.B. bei verweigerter Versorgung oder greifbarer ungeeigneter ärztlicher Versorgung oder wenn die Überschreitung der Grenzen pflichtgemäßen Ermessens in Rede stehen würde. Die Abklärung näherer Einzelheiten einer ansonsten unstreitigen medizinischen Behandlung würden das Innenverhältnis zwischen behandelnden Arzt und Strafgefangenen betreffen, seien grundsätzlich keine Maßnahme auf dem Gebiet des Justizvollzugs und könnten demnach nicht zulässig über §§ 109 ff. StVollzG verfolgt werden. Ob und welche Behandlung und gegebenenfalls Medikation erforderlich ist, um eine Krankheit zu ...