Entscheidungsstichwort (Thema)

Behandlungsmethode. Eilverfahren. einstweilige Anordnung. Ermessen. Neuverbescheidung. Wartezeit. Kokain. Ermessensreduzierung. Gesundheitsprüfung. Substitutionstherapie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat die Strafvollstreckungskammer zwar eine Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes getroffen, im Ergebnis aber bereits in der Hauptsache entschieden, ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer der Anfechtbarkeit nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes dann nicht entzogen, wenn die engen Voraussetzungen für eine nur ausnahmsweise mögliche Hauptsachevorwegnahme offensichtlich nicht gegeben waren. (Rn. 22)

2. Die lediglich von einer Gesundheitsprüfung abhängige Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, die Substitutionsbehandlung eines Strafgefangenen durchzuführen, nimmt die Hauptsache vorweg, da mit dem Beginn der Substitutionsbehandlung unumkehrbare Fakten geschaffen werden. (Rn. 24 - 25)

3. Die Substitutionstherapie stellt eine Behandlungsmöglichkeit eines opioidabhängigen Strafgefangenen dar. Die Entscheidung über die konkret erforderliche ärztliche Behandlung trifft der Anstaltsarzt nach seinem pflichtgemäßen ärztlichen Ermessen. (Rn. 31)

4. Während die Beendigung einer bei Inhaftierung laufenden Substitutionsbehandlung nur unter engen medizinischen Voraussetzungen in Betracht kommt, besteht für den Neubeginn einer Substitutionstherapie kein Vorrang gegenüber anderen, abstinenzorientierten Heilbehandlungsalternativen. (Rn. 36 - 37)

 

Normenkette

StVollzG § 114 Abs. 2 S. 3, § 116 Abs. 1; VwGO § 123 Abs. 1 S. 1; BayStVollzG Art. 60 Abs. 1; BtMVV § 5; StPO § 467 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Entscheidung vom 28.12.2018; Aktenzeichen SR StVK 813/18)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt St. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 28.12.2018 aufgehoben.
  2. Der Antrag des Strafgefangenen vom 26.11.2018 wird zurückgewiesen.
  3. Der Strafgefangene hat die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
  4. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500,00 € festgesetzt.
 

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 26.11.2018, eingegangen bei der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing am 3.12.2018, beantragte der Strafgefangene, im Eilverfahren die Durchführung seiner Substitutionsbehandlung anzuordnen. Er wendete sich dagegen, dass der Anstaltsarzt ihn lediglich auf eine Warteliste gesetzt hätte und führte aus, seine Behandlung müsse sofort beginnen.

Die Justizvollzugsanstalt trat mit ihrer Stellungnahme vom 6.12.2018 dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung entgegen. Der Strafgefangene werde derzeit adäquat medizinisch betreut, ein Eilbedürfnis für eine Substitutionsbehandlung bestehe nicht. Der am 14.11.2018 aus der Justizvollzugsanstalt Landshut zugeführte Strafgefangene sei seit seinem Haftbeginn am 12.10.2017 nicht substituiert worden. Stattdessen habe er in der Justizvollzugsanstalt Landshut eine komplexe psychopharmakologische Behandlung erhalten, welche nach wie vor fortgesetzt werde. Eine Substitutionsbehandlung komme dann in Betracht, wenn der Entlassungszeitpunkt nahe sei und die Rückfallgefahr in Freiheit als hoch eingeschätzt werde. Zur Planung und Prüfung der zukünftigen Behandlung sei der Antragsteller auf der Warteliste aufgenommen worden. Die Justizvollzugsanstalt wies auch darauf hin, dass die Anordnung der Substitutionsbehandlung im Eilverfahren die Entscheidung der Hauptsache vorweg nehme, da der Beginn der Medikation einer gegenläufigen Feststellung im folgenden Hauptverfahren diametral entgegenstehe.

Mit Schreiben vom 20.12.2018 schilderte der Strafgefangene seinen Suchtdruck und daraus resultierende Vorfälle. Für ihn sei eine sofortige Substitution die einzige Lösung. Die zuletzt durchgeführte Substitutionsbehandlung sei gegen seinen Willen vor 2 Jahren und 5 Monaten im Bezirksklinikum Mainkofen abgebrochen worden.

Die Justizvollzugsanstalt führte hierzu am 21.12.2018 und am 27.12.2018 ergänzend aus, dass es sich aufgrund des vorhandenen Zeitablaufs seit der letzten Substitutionsbehandlung nicht um deren Fortsetzung, sondern um den vollständigen Neubeginn einer Substitution handele. Dieser Neubeginn sei im Anschluss an die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger deswegen in den Zeitraum des vorgesehenen Haftendes (6.7.2023) zu legen, weil der Abhängige in der Zeit nach seiner Entlassung in die Freiheit vor einer Überdosis geschützt werden müsse. Eine langfristige Substitutionsbehandlung innerhalb der beschützten Umgebung der Anstalt weise demgegenüber Nachteile und Risiken auf. Beim Strafgefangenen ... sei die Entlassung aus der Haft noch fern. Zwar stehe er unter einem Leidensdruck. Diesem könne jedoch auch jenseits einer Substitutionsbehandlung begegnet werden. Deren Anordnung stehe im Ermessen des Anstaltsarztes. V...

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