Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Begründung einer Zuständigkeit nach § 87 GWB im Falle einer (im Wesentlichen) auf Vorschriften des EnWG gestützten Klage.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281; GWB § 87; EnWG § 103

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Aktenzeichen 21 O 1085/14)

LG Hannover (Aktenzeichen 25 O 10/14)

 

Tenor

Das LG Braunschweig ist zuständig.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine Gemeinde, nimmt die Beklagte, eine Energieversorgerin, die ihren Sitz im Bezirk des LG Braunschweig hat, klageweise auf Auskunft bezüglich Anlagen eines Stromverteilnetzes in Anspruch. Gestützt hat die Klägerin in der Klageschrift ihren Anspruch auf § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG i.V.m. § 242 BGB. Die Klage erhoben hat die Klägerin vor dem LG Hannover mit der Begründung, dass sich dessen Zuständigkeit aus §§ 87, 89 Abs. 1 GWB i.V.m. § 7 Abs. 1 Ziff. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung Niedersachsen (ZustVO-Justiz) ergebe. Das LG Hannover hat die Parteien darauf hingewiesen, dass es sich seiner Auffassung nach vorliegend nicht um eine Kartellsache i.S.v. § 87 GWB handele. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, die Sache an das örtlich zuständige LG Braunschweig zu verweisen. Nach erneuter Anhörung der Parteien hat das LG Hannover sich durch Beschluss für örtlich unzuständig erklärt und die Sache antragsgemäß an das LG Braunschweig verwiesen. Das LG Braunschweig hat durch Beschluss die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das LG Hannover hat daraufhin die Sache dem OLG Celle zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

II. Das LG Braunschweig war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Verweisungsbeschluss des LG Hannover vom 6.5.2014 ist für das LG Braunschweig bindend nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

1. Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 19.2.2013 - X ARZ 507/12, juris Rz. 7; BGH, Beschl. v. 17.5.2011 - X ARZ 109/11, juris Rz. 9). Ein Ausnahmefall in dem vorgenannten Sinn kann insbesondere dann gegeben sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 17.5.2011 - X ARZ 109/11, juris Rz. 11), oder aber, wenn das verweisende Gericht die maßgebliche Zuständigkeitsregel zwar in den Beschlussgründen erörtert hat, dabei aber zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis gelangt ist (vgl. KG, Beschl. v. 14.5.2009 - 2 AR 15/09, juris Rz. 4).

b) Gemessen an diesen Maßstäben ist der (ausführliche) Verweisungsbeschluss des LG Hannover vom 6.5.2014 als zumindest vertretbar und damit nicht objektiv willkürlich zu bewerten.

aa) Das rechtliche Gehör der Parteien hat das LG Hannover nicht verletzt. Es hat die Parteien vor seiner Entscheidung mit Verfügung vom 12.3.2014 auf die von ihm beabsichtigte Vorgehensweise hingewiesen.

bb) Die Entscheidung des LG Hannover ist nicht deshalb willkürlich im Sinne der o.g. Rechtsprechung, weil das LG Hannover seine eigene (ausschließliche) Zuständigkeit nach § 87 GWB verneint hat.

Das LG Hannover hat im Rahmen seiner Entscheidung die Vorschrift des § 87 GWB zur Kenntnis genommen und sich mit dieser (ausführlich) auseinandergesetzt. Es hat ausweislich der Gründe unter Ziff. I. seines Beschlusses insbesondere auch zur Kenntnis genommen, dass sowohl die Klägerin wie auch die Beklagte sich in ihren bislang zur Akte gereichten Schriftsätzen argumentativ u.a. auch auf Vorschriften des GWB gestützt haben. In diesem Rahmen war dem LG Hannover ersichtlich auch bekannt und ist von ihm erwogen worden, dass im Grundsatz auch kartellrechtliche Einwände, die gegen die Klage vorgebracht werden, den Anwendungsbereich des § 87 GWB begründen können (vgl. Bornkamm in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 87 Rz. 22). Das LG Hannover hat argumentativ begründet, dass und aus welchen Gründen es trotz des vorgenannten Umstands der Auffassung ist, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 87 GWB nicht gegeben sind. Diese Begründung erscheint dem Senat jedenfalls nicht als derartig fernliegend, dass hieraus eine Willkür im Sinne der o.g. Rechtsprechung hergeleitet werden könnte.

Als solches zu Recht hat das...

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