Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Antrag der Klägerin im Kartellschadensersatzprozess, gemäß § 33 Abs. 1 Fall 1 RVG für die Rechtsanwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten der Streithelfer der Beklagten einen geringeren Wert festzusetzen
Leitsatz (amtlich)
Bei Streithelfern im Kartellschadensersatzprozess, die - nach einer Streitverkündung der Beklagten wegen möglicher gesamtschuldnerischer Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 und 2 BGB - der Beklagten beigetreten sind und sich ihrem Klagabweisungsantrag angeschlossen haben, ist der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Streitwert gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Streithelfer maßgebend. Die Festsetzung eines geringeren Werts für die Rechtsanwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten der Streithelfer gemäß § 33 Abs. 1 Fall 1 RVG kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, gemäß § 89a Abs. 3 GWB - vorbehaltlich der zeitlichen Anwendbarkeit dieser Vorschrift - geringere Werte festzusetzen, nach denen sich die Kostenerstattungsansprüche der Streithelfer für ihre Rechtsanwaltskosten bestimmen. Dies ist jedoch kein Fall des § 33 Abs. 1 RVG; der Gebührenanspruch des jeweiligen Rechtsanwalts gegen den von ihm vertretenen Streithelfer ist hiervon nicht betroffen.
Normenkette
GWB § 89a Abs. 3; RVG § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 18 O 418/14) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin nach § 33 Abs. 1 RVG vom 14. September 2021 - betreffend die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten der Streithelferinnen - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 29. Dezember 2014 die Beklagte, eine Spanplattenherstellerin, aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil die Klägerin und die Zedentinnen aufgrund des "Spanplattenkartells" überhöhte Preise für die von ihnen bezogenen Spanplatten gezahlt hätten. Der Klagforderung liegen Spanplattenlieferungen der Beklagten und anderer Spanplattenherstellerinnen zu Grunde.
Die Beklagte hat verschiedenen anderen Spanplattenherstellerinnen mit Schriftsatz vom 2. April 2015 den Streit verkündet. Sie hat dies damit begründet, dass ihr im Falle ihres Unterliegens gegen die Streitverkündeten Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB zustehen könnten bzw. Ansprüche der Klägerin gegen diese gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf die Beklagte übergehen könnten (Bl. 196 ff. d.A.). Die Streitverkündeten sind im April bzw. Mai 2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und haben sich im erstinstanzlichen Verhandlungstermin am 7. Juli 2015 dem Klagabweisungsantrag der Beklagten angeschlossen (Bl. 830 f. d.A.). Die Streithelferinnen zu 3 - 5 haben eine Beteiligung an dem Kartell bestritten (Bl. 831 d.A.).
Mit Urteil des Senats vom 12. August 2021 (veröffentlicht bei Juris) ist die Beklagte - unter Klagabweisung im Übrigen - zur Zahlung von 8.954.242,65 EUR verurteilt worden. Nach der getroffenen Kostenentscheidung hat die Klägerin von den Kosten der Streithelferinnen 65 % zu tragen. Den Streitwert hat der Senat für die Berufungsinstanz auf 26.029.009,12 EUR festgesetzt.
Die Klägerin beantragt gemäß § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG (Bd. XV Bl. 3150 d.A.),
den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte der Streithelfer der Beklagten im Berufungsverfahren jeweils gesondert festzusetzen.
Die Klägerin meint, es liege ein Fall des § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG vor, weil die Streithelferinnen als Gesamtschuldner im Innenverhältnis allenfalls anteilig hafteten. Ihr maßgebliches wirtschaftliches Interesse sei grundsätzlich danach zu bemessen, welche Regressforderungen sie bei einem Unterliegen der unterstützten Beklagten erwarten müssten. Das Regressrisiko der Streithelferinnen könne danach bemessen werden, welche Anteile an der geltend gemachten Gesamtforderung auf Lieferungen der jeweiligen Streithelferin entfielen. Hinzuzurechnen sei jeweils ein Anteil an den geltend gemachten Schäden in Bezug auf Lieferungen Dritter; diese Schadenssumme sei anteilig auf die Beklagte und die Streithelfer (nach ihrem jeweiligen prozentualen Anteil an den gesamten Lieferungen der Beklagten und der Streithelferinnen) zu verteilen (Bl. 3151 f. d.A.). Nach dieser Maßgabe schlägt die Klägerin vor, die Gegenstandswerte für die Streithelferin zu 1 auf 587.552,42 EUR, für die Streithelferin zu 2. auf 5.059.316,78 EUR und für die Streithelferin zu 3 bis 5 auf 4.172.605,18 EUR festzusetzen (Bl. 3156 d.A.).
Die Streithelferinnen sind dem Antrag entgegengetreten.
II. Der Antrag der Klägerin gemäß § 33 Abs. 1 RVG ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klägerin ist antragsbefugt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG kann der Antrag auch von einem erstattungspflichtigen Gegner gestellt werden. Die Klägerin ist erstattungspflichtige Gegnerin der Streithelferinnen der Beklagten, weil sie nach der Kostenentscheidung des Senats einen Teil der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen hat.
2. ...