Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung in erster Instanz aus Anlass eines sog. Datenscraping-Vorfalls; Verbot der "reformatio in peius"

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Streitwert einer Klage, mit der im Rahmen eines "Massenverfahrens" Ansprüche aus der DSGVO gegen einen international tätigen Musik-Streaming-Dienst geltend gemacht werden, die ihre Grundlage in angeblichen Datenschutzverstößen aus Anlass eines Cyber-/Hackerangriffs auf Kundendaten der Beklagten haben.

 

Normenkette

DSGVO Art. 82 Abs. 1; RVG § 32 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 11.04.2024; Aktenzeichen 6 O 167/23)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung in dem Urteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Lüneburg vom 11. April 2024 wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzliche Wertfestsetzung wird von Amts wegen abgeändert und der Streitwert des Rechtsstreits in erster Instanz auf 1.900 Euro festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts in erster Instanz, die sie als zu niedrig erachtet.

In dem dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus der DSGVO geltend gemacht. Die Beklagte - die D. - betreibt einen internationalen Musikstreaming-Dienst gleichen Namens, der in über 180 Ländern verfügbar und unter der Internetadresse www.D...com erreichbar ist. Das wesentliche Angebot besteht aus einem Streaming-Angebot, zusammengesetzt aus Musik, Hörbüchern, Hörspielen und Podcasts. Die Parteien haben über einen sogenannten Cyber-/Hackerangriff auf Kundendaten der Beklagten gestritten, wobei dessen zeitliche Abfolge, die Reaktion der Beklagten sowie das Ausmaß des Angriffs zwischen den Parteien streitig gewesen sind.

Der Kläger hat mit seiner Klage als Ausgleich für behauptete Datenschutzverstöße die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 1.000 Euro, einen Feststellungsantrag betreffend die Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden, einen Unterlassungsantrag sowie einen Auskunftsantrag geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage (nur) zum Teil stattgegeben. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Unter Ziffer IV. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat das Landgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 3.500 Euro festgesetzt. Den Zahlungsantrag hat es dabei mit 1.000 Euro bemessen, den Antrag auf Unterlassung mit 2.000 Euro, sowie die Auskunfts- und Feststellungsanträge jeweils mit 250 Euro. Dagegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese eine Heraufsetzung des Streitwerts auf "mindestens 6.000 Euro" begehrt, wobei sie den Schadensersatzanspruch mit 1.000 Euro bemisst, den Unterlassungsanspruch mit 4.000 Euro, den Feststellungsanspruch mit 500 Euro, und den Auskunftsanspruch mit 500 Euro.

II. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nach §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Im Ergebnis hat die Beschwerde keinen Erfolg. Im Gegenteil war der Streitwert für den Rechtsstreit in erster Instanz von Amts wegen herabzusetzen.

1. Der Senat ist nicht daran gehindert, den vom Landgericht festgesetzten Streitwert entgegen dem Ziel der Beschwerde, diesen heraufzusetzen, von Amts wegen herabzusetzen. Der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (einhellige Auffassung, vgl. z. B. Senat, Beschluss vom 29. April 2024 - 5 W 19/24, juris Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 6 W 47/19, juris Rn. 26; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Januar 2018 - 12 W 37/17, juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2010 - 24 W 9/10, juris Rn. 10).

2. Der Senat setzt den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.900 Euro fest. Dabei entfällt auf den Zahlungsantrag ein Wert von 1.000 Euro sowie auf die restlichen drei Unterlassungs-, Feststellungs- und Auskunftsanträge jeweils ein Wert von 300 Euro.

a) Der Senat hat unter dem 4. April 2024 in den Verfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 (jeweils bei juris) Urteile in Verfahren erlassen, die beide zum Gegenstand hatten, dass die jeweiligen Klageparteien Ansprüche aus der DSGVO auf Schadensersatz, Unterlassung, Feststellung und Auskunft aus Anlass eines sogenannten "Datenscraping-Vorfalls" bei der dortigen Beklagten, die Betreiberin eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks ist, geltend machten. Die Prozessbevollmächtigten der dortigen Klageparteien - die identisch sind mit der hiesigen Beschwerdeführerin - haben bundesweit eine höhere vierstellige Anzahl von Verfahren dieser Art gegen die dortige Beklagte bei deutschen Gerichten anhängig gemacht. Zu dem Streitwert in diesen Verfah...

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