Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert einer Klage auf Ansprüche aus der DSGVO; Angebliche Datenschutzverstöße seines Musik-Streaming-Dienstes aus Anlass eines Cyber-/Hackerangriffs; Massenverfahren als Geschäftsmodell

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Streitwert einer Klage, mit der im Rahmen eines "Massenverfahrens" Ansprüche aus der DSGVO gegen einen international tätigen Musik-Streaming-Dienst geltend gemacht werden, die ihre Grundlage in angeblichen Datenschutzverstößen aus Anlass eines Cyber-/Hackerangriffs auf Kundendaten der Beklagten haben.

 

Normenkette

DSGVO Art. 82 Abs. 1; RVG § 32 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 06.02.2024; Aktenzeichen 1 O 144/23)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung unter Ziffer 4 des Tenors des Urteils der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Verden vom 6. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzliche Wertfestsetzung wird von Amts wegen abgeändert und der Streitwert des Rechtsstreits in erster Instanz auf 5.900 EUR festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts in erster Instanz, die sie als zu niedrig erachten.

In dem dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin gegen die Beklagte Ansprüche aus der DSGVO geltend gemacht. Die Beklagte - die D. - betreibt einen internationalen Musik Streaming-Dienst gleichen Namens, der in über 180 Ländern verfügbar und unter der Internetadresse www.d.com erreichbar ist. Das wesentliche Angebot besteht aus einem Streamingangebot, zusammengesetzt aus Musik, Hörbüchern, Hörspielen und Podcasts. Die Parteien haben über einen sog. Cyberangriff/Hackerangriff auf Kundendaten der Beklagten gestritten, wobei dessen zeitliche Abfolge, die Reaktion der Beklagten sowie das Ausmaß des Angriffs zwischen den Parteien streitig gewesen sind.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage als Ausgleich für Datenschutzverstöße die Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 3.000 EUR, für die Nichterteilung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden außergerichtlichen Datenauskunft i. S. d. Art. 15 DSGVO einen weiteren immateriellen Schadensersatz in Höhe von 2.000 EUR, einen Feststellungsantrag betreffend die Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden, einen Unterlassungsantrag sowie einen Auskunftsantrag geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Berufung dagegen hat die Klägerin nicht eingelegt.

Unter Ziffer 4 des Tenors seines Urteils hat das Landgericht den Streitwert insgesamt auf 11.500 EUR festgesetzt. Dabei hat es den Wert der beiden Zahlungsanträge mit 3.000 EUR und 2.000 EUR bemessen, den Feststellungsantrag mit 1.000 EUR, den Unterlassungsantrag mit 5.000 EUR sowie den Auskunftsantrag mit 500 EUR.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, mit der sie begehren, den Streitwert auf 17.600 EUR festzusetzen.

B. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist nach §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Im Ergebnis hat die Beschwerde keinen Erfolg. Im Gegenteil war der Streitwert für den Rechtsstreit in erster Instanz von Amts wegen herabzusetzen.

1. Der Senat ist nicht daran gehindert, den vom Landgericht festgesetzten Streitwert entgegen dem Ziel der Beschwerde, diesen heraufzusetzen, von Amts wegen herabzusetzen. Der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (einhellige Auffassung, vgl. z. B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 6 W 47/19, juris Rn. 26; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Januar 2018 - 12 W 37/17, juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2010 - 24 W 9/10, juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 24 W 13/09, juris Rn. 6).

2. Der Senat setzt den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.900 EUR fest. Dabei entfallen auf die beiden Zahlungsanträge Werte von 3.000 und 2.000 EUR sowie auf die restlichen drei Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsanträge jeweils Werte von 300 EUR.

a) Der Senat hat unter dem 4. April 2024 in den Verfahren 5 U 31/23 und 5 U 77/23 (jeweils bei juris) Urteile in Verfahren erlassen, die beide zum Gegenstand hatten, dass die jeweiligen Klageparteien Ansprüche aus der DSGVO auf Schadensersatz, Unterlassung, Feststellung und Auskunft aus Anlass eines sogenannten "Datenscraping-Vorfalls" bei der dortigen Beklagten, die Betreiberin eines weltweit agierenden sozialen Netzwerks ist, zum Gegenstand hatten. Die Prozessbevollmächtigten der dortigen Klageparteien haben bundesweit eine höhere vierstellige Anzahl von Verfahren bei deutschen Gerichten anhängig gemacht. Zu dem Streitwert in diesen Verfahren hat der Senat beispielsweise in dem Verf...

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