Leitsatz (amtlich)

Auch für stationäre Zwangsbehandlungen bietet das Betreuungsrecht keine ausreichende gesetzliche Grundlage.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Beschluss vom 24.03.2005; Aktenzeichen 5 T 119/05)

AG Hildesheim (Aktenzeichen 72-XVII F 447)

 

Tenor

1. Der angefochtenen Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 24.3.2005 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde zu entscheiden hat. Gerichtsgebühren werden für dieses Verfahren nicht erhoben.

2. Wert: 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Für den Betroffenen besteht eine Betreuung. Im Rahmen seiner Patientenverfügung vom 22.7.2004 äußerte der Betroffene den Wunsch, dass eine Behandlung mit einem Psychopharmakon - soweit überhaupt erforderlich - ausschließlich mit einem bestimmten Medikament (Seroquel, Bl. 137 d.A.) erfolgen solle. Im Rahmen einer weiteren Verfügung vom 4.10.2004 (Bl. 153 ff. d.A.) erklärte der Betroffene sodann, dass er nie wieder überhaupt mit Neuroleptika behandelt werden möchte.

Am 4.3.2005 beantragte der Betreuer des damals mit gerichtlicher Genehmigung (Bl. 129 d.A.) bereits auf einer geschlossenen Station des Landeskrankenhaus Hildesheim untergebrachten Betroffenen die gerichtliche Genehmigung einer zwangsweisen Behandlung des Betroffenen durch das Neuroleptikum Zeldox (Blatt 161). Das AG hat den Betroffenen am 8.3.2005 zu diesem Antrag angehört (Bl. 166 d.A.). Der Betroffene hat im Rahmen eines ausführlichen Anhörungsgesprächs erklärt, jede Behandlung im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Hildesheim abzulehnen. Die Patientenverfügungen waren u.a. Gegenstand der Anhörung. Am 22.3.2005 wurde der Betroffene erneut durch das AG Hildesheim angehört (Bl. 180 d.A.). Aus dem Anhörungsprotokoll ergibt sich, dass er bis dahin nicht mit Neuroleptika behandelt, aus ärztlicher Sicht jedoch weiterhin dringend behandlungsbedürftig angesehen wurde. Eine Entlassung sei nicht vertretbar, da damit gerechnet werden müsse, dass der Patient sich gefährde und sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtere.

Das AG hat darauf hin sogleich im Rahmen der Anhörung am 22.3.2005 die Einwilligung der Betreuerin in die zwangsweise medikamentöse Behandlung vormundschaftsgerichtlich genehmigt (Bl. 181 d.A.). Die unmittelbar im Anschluss daran eingelegte Beschwerde des Betroffenen (Bl. 181 d.A.) hat das LG Hildesheim in seinem Beschl. v. 24.3.2005 (Bl. 191 d.A.) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die behandelnden Ärzte auch bei der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch die Kammer am 24.3.2005 (Bl. 185 d.A.) überzeugend dargelegt hätten, dass der Betroffene diese unumgängliche Behandlung zwar weiterhin verweigere. Eine Besserung seines Krankheitsbildes sei jedoch nur bei Behandlung mit Neuroleptika denkbar. Ohne eine solche Behandlung, die wegen der persönlichen Einstellung des Betroffenen auch gegen seinen Willen vorgenommen werden müsse, sei keine Besserung seines schweren Krankheitsbildes möglich. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner weiteren Beschwerde vom 12.4.2005 (Bl. 251 d.A.). Die Genehmigung ignoriere die vorliegende Patientenverfügung, es bestehe auch keine Rechtsgrundlage für eine solche Genehmigung. Im Laufe des Monats April 2005 ist der Betroffene entlassen worden, so dass er nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zwangsbehandlung geltend macht.

II. Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist nach den §§ 20, 27, 29 FGG statthaft und formgerecht eingelegt. Die weitere Beschwerde führt auch insoweit zum Erfolg, als die angefochtene Entscheidung des LG Hildesheim zunächst aufzuheben und das Verfahren insoweit an das LG zurückzuverweisen ist. Der Senat hat die angefochtene Entscheidung nur darauf zu überprüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften zutreffend angewendet worden sind (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Das ist vorliegend nicht der Fall. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Entgegen der den Beschlüssen stillschweigend zugrunde liegenden Auffassungen des AG und LG Hildesheim ist eine Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage rechtlich nicht zulässig und daher nicht genehmigungsfähig. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, nach der in Anlehnung an die Entscheidung des BGH zur ambulanten Zwangsbehandlung (BGH v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, MDR 2001, 216 = FamRZ 2001,149) auch die stationäre Zwangsbehandlung auf der Grundlage des Betreuungsrechts infolge des Fehlens einer ausreichenden Rechtsgrundlage als rechtlich nicht zulässig angesehen wird (OLG Thüringen R&P 2003, 29; Marschner, Zwangsbehandlung in der ambulanten und stationären Psychiatrie, R & P 2005, 47 ff., m.w.N.). Die Gegenposition (OLG Schleswig FamRZ 2002, 984; OLG Düsseldorf - 25 WX 73/03; OLG München v. 30.3.2005 - 33 Wx 038/05, OLGReport München 2005, 394 = MDR 2005, 873; Roth in Erman, BGB, 11. Aufl., Rz. 29; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1904 Rz. 16;) geht von einer...

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