Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein Reiseveranstalter seiner Obliegenheit zur Hinweiserteilung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4 BGB-InfoV a. F. durch einen bestimmten Hinweis in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügen kann, auf die er in einer - seinen jeweiligen Reisekunden nach Vertragsschluss zugesandten - "Reisebestätigung/Rechnung" verweist.
Normenkette
BGB a.F. § 651d Abs. 2; BGB-InfoV a.F. § 6 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4; BGB § 309 Nr. 12 b
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 1 O 31/19) |
Tenor
A. Die Kläger machen gegen die Beklagte, einen Reiseveranstalter, reisevertragliche Gewährleistungsansprüche in Höhe von insgesamt 6.819 EUR geltend. Insoweit behaupten sie, dass einzelne Ausstattungsmerkmale des gebuchten Zimmers (in einem Hotel in T.) sowie die Pflege der Außenanlage des Hotels nicht den vertraglich geschuldeten Anforderungen entsprochen hätten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der kumulativen Begründung, dass die Kläger Mängel i. S. v. § 651 c Abs. 1 BGB a. F. schon nicht schlüssig dargelegt hätten, jedenfalls aber hätten die Kläger nicht hinreichend dargelegt, die Mängel i. S. v. § 651 d Abs. 2 BGB a. F. ordnungsgemäß angezeigt zu haben. Der diesbezügliche Vortrag der Kläger, sie treffe keine Obliegenheitsverletzung, verfange nicht. Denn die Kläger würden schon nicht vortragen, von den Hinweisen der Beklagten in den Reiseunterlagen/Reiseplan keine Kenntnis erlangt zu haben bzw. erlangt haben zu können. Der Hinweis der Beklagten auf Seite 1 der Reisebestätigung reiche diesbezüglich auch aus.
Auf Seite 1 der an die Kläger gerichteten "Bestätigung/Rechnung" vom 22. Februar 2018 findet sich auszugsweise folgender Passus:
"Die Reisebedingungen des Veranstalters, die Ihnen vor der Buchung vollständig ausgehändigt wurden, sind Vertragsbestandteil. Die aktuellen Reisebedingungen finden Sie auch im Internet unter http://www.meine-t...de/Reisebedingungen. Sie beinhalten u. a. auch Obliegenheiten und Pflichten des Kunden, insbesondere in Fällen von Stornierungen und Leistungsmängeln; in Bezug auf Leistungen, die in Deutschland angeboten werden, ist Folgendes WICHTIG zur Wahrung etwaiger Mängelansprüche:
- unverzügliche Anzeige von Mängeln während der Reise: Ziff. 12.2
- Setzung einer angemessenen Frist zur Abhilfeleistung vor einer Kündigung wegen eines Reisemangels: Ziff. 12.3
- Einhaltung der Ausschlussfrist von 1 Monat für die Geltendmachung eventueller Ansprüche: Ziff. 14.1.
- Einhaltung der Verjährungsfrist für eventuelle Ansprüche (§§ 651 c bis 651 F BGB): Ziff. 14.2.1 ff.
- Die Möglichkeit von Preisänderungen sowie deren Bestimmungsfaktoren: Siehe Ziff. 6.3!"
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgen.
Gründe
B. Der Senat weist darauf hin, dass eine Vorgehensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt. Ob Klageansprüche dem Grunde nach in Betracht kommen, erscheint nach Maßgabe des derzeitigen Beratungsstands des Senats als nicht ausgeschlossen. Sollte ein Klageanspruch dem Grunde nach bestehen, würde sich dieser allerdings nicht ansatzweise in der Höhe darstellen, wie mit der Klage geltend gemacht.
I. Fraglich ist, ob, wie das Landgericht gemeint hat, reiserechtliche Gewährleistungsansprüche deshalb ausgeschlossen sind, weil es die Kläger i. S. v. § 651 d Abs. 2 BGB a. F. schuldhaft unterlassen haben, den Mangel anzuzeigen. Dagegen würde eine (widerlegliche) Vermutung sprechen, wenn - wie bereits die Kläger geltend machen (Schriftsatz vom 25. September 2019, S. 1 f., Bl. 38 f. d. A.) - die Beklagte die Kläger pflichtwidrig nicht ordnungsgemäß auf ihre Obliegenheit zur Mangelanzeige hingewiesen hätte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 - X ZR 49/16, juris Rn. 14; zu § 651 g Abs. 1 BGB a. F.: BGH, Versäumnisurteil vom 3. Juli 2018 (X ZR 96/17, juris Rn. 26 i. V. m. Rn. 19 f.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird, wenn der Reiseveranstalter seine Pflicht zum Hinweis auf die in § 651 d Abs. 2 BGB a. F. normierte Obliegenheit zur Anzeige aufgetretener Reisemängel nicht erfüllt hat, widerleglich vermutet, dass die Obliegenheitsverletzung des Reisenden entschuldigt ist (BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 - X ZR 49/16, juris Rn. 15). In einem solchen Fall begründet der fehlende Hinweis eine widerlegliche Vermutung dahingehend, dass der Urlauber die Anzeigeobliegenheit weder kannte noch kennen musste. Denn die Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV a. F. bringt die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, der Reisende wisse in der Regel nicht, dass eine unterbliebene Rüge zum Ausschluss von Sekundärrechten führen kann. Dieser Unkenntnis und Schutzbedürftigkeit des Reisenden wird mit Hilfe einer solchen Belehrung Rechnung getragen (Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl., § 18 Rn. 9, Gliederungspunkt 1). Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er seiner diesbezüglichen Hinweispflicht nachgekommen ist, ist der Reiseveranstalter (Eyinc in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 4. Aufl., § 651d BGB, Rn. 6).
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