Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an den Erhaltungszustand einer Schiffskabine, die dem klagenden Reisenden im Rahmen einer knapp 3-wöchigen Nordatlantik-Kreuzfahrt zu einem (Gesamt-)Reisepreis von 27.238 EUR (für 2 Personen) zur Verfügung gestellt worden ist und die in dem der Reise zugrunde liegenden Reiseprospekt auszugsweise wie folgt beschrieben ist: "Willkommen in ihrer Suite - ein traumhafter Ort, an dem sie sich rundum entspannen. Luxuriöse Rückzugsorte, in denen sie sich wie zu Hause fühlen und den Alltag hinter sich lassen".
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 139 Abs. 1 und 2 ZPO gebotene rechtliche Hinweise hat das Gericht gem. § 139 Abs. 4 ZPO regelmäßig frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen.
2. Zu den Anforderungen an die substantiierte Darlegung von Reisemängeln in einem Zivilprozess.
3. Ein Reiseveranstalter kann sich im Zivilprozess angesichts von von Seiten des klagenden Reisenden vorgelegten Lichtbildern, mit denen Mängel der Anlage belegt werden sollen, nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken; vielmehr ist er gehalten, substantiiert darzulegen, dass und aus welchen Gründen die jeweiligen Lichtbilder angeblich nicht das belegen bzw. wiedergeben, was der klagende Reisende behauptet, und wie sich seiner Behauptung nach stattdessen der tatsächliche Zustand der jeweiligen Anlage konkret darstellt.
4. Ein Reiseveranstalter ist gehalten, hinsichtlich der von Seiten des klagenden Reisenden aufgestellten Tatsachenbehauptungen bzgl. des Ablaufs der Reise bei seinem jeweiligen Leistungserbringer vor Ort Nachfrage zu halten, ob diese zutreffend sind oder nicht. Unterlässt der beklagte Reisveranstalter eine derartige Nachfrage, ist das bloße pauschale Bestreiten im Verfahren prozessual unbeachtlich.
5. Ein hoher Reisepreis kann - neben anderen Aspekten - einen erhöhten Qualitätsstandard für die Reiseleistung begründen und damit die Schwelle für das Vorliegen eines Mangels senken. Damit kann der Reisepreis Einfluss darauf haben, ob ein Reisemangel vorliegt und als ein Kriterium für die Grenze zwischen Mangelfreiheit und der Bejahung eines Reisemangels wirken.
6. Eine Mangelanzeige i. S. v. § 651 d Abs. 2 BGB a. F. ist entbehrlich, wenn dem Reiseveranstalter eine Abhilfe nicht möglich ist.
Normenkette
BGB a.F. §§ 651c, 651d Abs. 1-2; ZPO § 139 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 1 O 199/18) |
Tenor
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, Minderungsansprüche aufgrund einer angeblich mangelhaften Reise geltend.
Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau eine Pauschalreise bei der Beklagten vom 31. August bis 21. September 2018. Kern der Reise war eine Kreuzfahrt auf dem Schiff R. ... Der Reisepreis belief sich auf insgesamt 27.238,00 EUR; der Anteil für die Kreuzfahrt belief sich hierbei auf 21.978,00 EUR. Die von dem Kläger im Rahmen der Kreuzfahrt gebuchte Schiffskabine wurde in dem der Reise zugrunde liegenden Prospekt - zusammengefasst - als "luxuriös" beschrieben. Wegen des diesbezüglichen konkreten Wortlauts in dem Prospekt wird auf die nachfolgende Darstellung unter Gliederungspunkt II. 5. b) bb) Bezug genommen. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger eine Minderung des auf die Kreuzfahrt entfallenden Teils des Reisepreises in Höhe von 50 %, insgesamt mithin 10.989,00 EUR, geltend, weil seiner Behauptung nach die ihm und seiner Ehefrau zugewiesene Schiffskabine nicht den vertraglich vereinbarten Anforderungen entsprochen habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die von ihm behaupteten Mängel nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe, weshalb das Gericht nicht in der Lage sei, etwaig vorhandene Mängel zu verifizieren. Auf diesen Umstand habe es den Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Einen Schriftsatznachlass habe der Kläger daraufhin nicht beantragt. Sein nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangener Schriftsatz sei deshalb verspätet und nach § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.
II. Der Senat weist darauf hin, dass eine Vorgehensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt.
1. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Reisevertrag am 9. Oktober 2017 geschlossen. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien finden demgemäß noch die Vorschriften des Reisevertragsrechts in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung Anwendung, Art. 229 § 42 EGBGB (nachfolgend: BGB a. F.).
2. Obwohl es im Ergebnis nicht darauf ankommen wird, möchte der Senat - gerade auch angesichts dessen, dass das Landgericht auf diese Problematik fast eine Seite seiner Entscheidungsgründe verwandt hat, ferner ein Großteil der Berufungsbegründung hierauf entfällt und schließlich auch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 16. März 2020 die diesbezügliche rechtliche Problematik etwas verkürzt darstellt - zu der Verfahrensweise des Landgerichts in der ...