Leitsatz (amtlich)

Kommt eine mit einem Überbau geringen Ausmaßes verbundene bauliche Maßnahme an der Grenzwand auf dem Nachbargrundstück in ihren Auswirkungen einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG gleich, ist die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer, mit dem dem Nachbarn die Zustimmung zu dem beabsichtigten Überbau erteilt wird, nach § 22 Abs. 1 S. 2 WEG zu beurteilen.

 

Normenkette

WEG § 22; BGB § 912

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 17 T 26/03)

AG Hannover (Aktenzeichen 71 II 441/02)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass davon abgesehen wird, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner vor dem Amts und LG aufzuerlegen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten der sofortigen weiteren Beschwerde. Die außergerichtlichen Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde tragen die Parteien jeweils selbst.

Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde: 3.000 Euro.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 45 Abs. 1 WEG 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insb. form und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde jedoch nur im Kostenpunkt teilweise Erfolg. gem. § 27 Abs. 1 FGG wäre die sofortige weitere Beschwerde in der Hauptsache nur begründet, wenn das Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf einer derartigen Verletzung des Rechts i.S.v. §§ 27 Abs. 1 S. 1 und 2 FGG, 546 ZPO n.F. beruht. Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Hauptsache vermag der Senat jedoch keine Rechtsfehler festzustellen.

I. Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 12.12.2002 den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.11.2002 unter TOP 9 angefochten, mit dem bei 5 Ja-Stimmen gegen eine Nein-Stimme mehrheitlich die Genehmigung von Umbaumaßnahmen am Nachbarhaus … beschlossen worden ist, die insb. darin bestehen, zur Verbesserung der Wärmedämmung auf der seitlichen Giebelseite eine Thermo-Fassadenverkleidung aufzubringen, die mindestens 7,5 cm über die Grenze auf das Grundstück … ragt.

Das AG hat mit Beschluss vom 4.3.2003 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die gegen diese Zurückweisung gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 25.3.2003 hat das LG nach einem Ortstermin am 3.6.2003 auf die mündliche Verhandlung vom 2.9.2003 mit Beschluss vom 23.9.2003 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin, die weiterhin die Ungültigkeit des Beschlusses zu TOP 9 begehrt und ihr bisheriges Vorbringen vertieft.

Sie behauptet, die Baumaßnahme sei nur unter Inanspruchnahme eines Grundstücksstreifens von 10–12 cm des Grundstücks … möglich. Die Auffassung des LG, dass die beabsichtigte Baumaßnahme als eine bauliche Veränderung i.S.v. § 22 WEG angesehen werden könne, die durch Mehrheitsbeschluss gefasst werden könne, sei rechtsfehlerhaft, weil das LG die sich aus dem Überbau ergebenden Konsequenzen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe. So erwerbe der Überbauende kraft Gesetzes Eigentum an der überbauten Fläche. Dadurch gehe die Publizitätsfunktion des Grundbuchs verloren, weil der tatsächliche Bauzustand nicht der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan entspreche, die für die Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum maßgeblich sind. Es gehe nicht um bauliche Veränderungen, die ihre Grundlage in dem gemeinschaftlichen Eigentum des Hausgrundstücks … und den sich daraus ergebenden Pflichten einzelner Wohnungseigentümer hätten, sondern um eine Maßnahme auf dem Nachbargrundstück mit Auswirkungen durch einen Überbau auf dem Grundstück der Parteien. Der damit verbundene Eigentumsverlust trete kraft Gesetzes ein. Als Ausgleich sei gem. § 915 BGB für den Verlust des Eigentums die Möglichkeit des Abkaufs vorgesehen. Auch für diesen Fall gelte, dass mehrere Eigentümer nur gemeinschaftlich handeln könnten, da einer die anderen nicht zur Übereignung verpflichten könne. In der bestehenden Rechtsordnung gebe es keinen Eigentumsverlust durch Mehrheitsbeschluss.

Die Kostenentscheidung des Gerichts weiche vom Grundsatz des § 47 WEG ab, obwohl die Beschlussanfechtung nicht als schuldhaft anzusehen sei, zumal es um Eingriffe in das Eigentumsrecht der Antragstellerin gehe.

Zu dem der Antragstellerin erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LG zugegangenen Schriftsatz der Antragsgegner vom 1.9.2003 werde darauf hingewiesen, dass die Klinkermauer des Kellerabgangs kein Hindernis sei und auch nicht zu Wasserstauungen und dadurch zu Feuchtigkeitseintritten führe. Die Häuser stünden seit mehr als 30 Jahren, ohne dass Feuchtigkeitsschäden aufgetreten seien. Damit dies so bleibe, sei es erforderlich, dass sich auch der Eigentümer des Hausgrundstücks … selbst um seine Außenwand kümmere und im Laufe der Zeit aufgetretenen Schäde...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?