Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehewohnungszuweisung bei Getrenntleben
Leitsatz (amtlich)
Eine unbillige Härte gem. § 1361b Abs. 1 BGB kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist (§ 1361b Abs. 1 S. 2).
Normenkette
BGB § 1361b Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
AG Burgdorf (Beschluss vom 19.10.2005; Aktenzeichen 12 F 722/05) |
Tenor
I. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... bewilligt.
II. Der Antrag des Antragsgegners, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen, weil er bis zum Abschluss der Instanz keine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht hat. Die Erklärung ist für jede Instanz gesondert einzureichen, wenn nicht in zulässiger Weise auf die erstinstanzlich eingereichte Erklärung Bezug genommen wird.
III. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Burgdorf vom 19.10.2005 geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin die bisherige Ehewohnung ..., ... für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien zur alleinigen Nutzung zu überlassen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahren wird auf 4.320 EUR festgesetzt.
Gründe
(zu Ziff. III.)
Die Parteien sind miteinander verheiratet und haben mit ihren drei gemeinsamen Kindern im Alter von 1-4 Jahren eine 70 qm große Wohnung in der ... in ... bewohnt. Der Antragsgegner wohnt seit Anfang September 2005 bei seinen Eltern. Die Parteien streiten darüber, ob er die Ehewohnung freiwillig verlassen hat oder durch die Antragstellerin durch Entwendung seiner Schlüssel gehindert worden ist, die Wohnung wieder zu betreten.
Die Antragstellerin begehrt Zuweisung der Ehewohnung gem. § 1361b BGB, weil der Antragsgegner ggü. der Antragstellerin immer wieder gewalttätig geworden sei, spielsüchtig sei und sie betrüge. Der Antragsgegner bestreitet die Vorwürfe der Antragstellerin und behauptet, diese sei übermäßig eifersüchtig.
Das AG hat den Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen für die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin lägen nicht vor, weil sich nicht feststellen lasse, dass der Antragsgegner ggü. der Antragstellerin gewalttätige Handlungen ausgeführt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen den Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Wohnungszuweisungsantrag weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, das AG habe wesentliche Punkte außer Acht gelassen, nämlich die tatsächliche Gewalt in der Familie, wodurch nicht nur das Kindeswohl gefährdet sei, sondern auch das weitere Zusammenleben unmöglich sei. Die Wohnung sei mit drei normalen Zimmern für eine Trennung innerhalb der Wohnung nicht geeignet. Der Antragsgegner wohne bereits bei seinen Eltern und habe genügend Zeit gehabt, sich eine neue Wohnung zu suchen.
Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist der Ansicht, die Voraussetzungen der Zuweisung der Ehewohnung seien schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einer unbilligen Härte fehle. Es habe zu keinen Zeitpunkt Gewalt gegen die Antragstellerin oder die Kinder gegeben. Der tatsächliche Grund für die Trennung der Antragstellerin von Antragsgegner sei auch nicht die vermeintliche Gewaltanwendung sondern die Eifersucht der Antragstellerin, die den Antragsgegner zu Unrecht des Ehebruchs bezichtige, gewesen. Schließlich hätten die Parteien am 5.10.2005, nachdem das Verfahren bereits anhängig gewesen sei, miteinander telefoniert. Die Antragstellerin habe ggü. dem Antragsgegner geäußert, sie wolle den Antrag beim AG zurücknehmen und der Antragsgegner könne wieder mit ihr gemeinsam in der ehelichen Wohnung leben, wenn er zugebe, dass er ein Verhältnis mit der Bekannten der Nachbarin habe. Sie habe damit auch signalisiert, dass ihr Entschluss, sich von dem Antragsgegner zu trennen, nicht endgültig sei.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie hat gem. § 1361b Abs. 1 BGB Anspruch darauf, dass der Antragsgegner ihr die vormalige Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung überlässt.
Die Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 BGB sind erfüllt. Die Parteien leben getrennt. Die Antragstellerin hat spätestens durch dieses Verfahren unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie vom Antragsgegner getrennt leben will. Es kann dahingestellt bleiben, ob es das Telefonat am 5.10.2005 in der Form, wie es der Antragsgegner vorträgt, tatsächlich gegeben hat. Denn darin ist allenfalls ein Versöhnungsangebot der Antragstellerin zu sehen, auf das der Antragsgegner nicht eingegangen ist, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin von ihrer Trennungsabsicht tatsächlich abgerückt ist. Dagegen spricht allein schon das Beschwerdeverfahren.
Die Zuweisung der Eh...