Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Anwendbares Recht bei Einleitung eines Scheidungsverbundverfahrens vor dem 1. September 2009 und erstinstanzlicher Entscheidung über den Versorgungsausgleich vor dem 1. September 2010
Leitsatz (amtlich)
Ein lediglich faktisches Nichtbetreiben des Verfahrens reicht nicht aus, um einen Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts gem. Art. 111 Abs. 3 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG herbeizuführen; insofern ist vielmehr eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa gem. §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des Ruhens des Verfahrens gem. §§ 251, 251a ZPO erforderlich.
Normenkette
FGG-RG Art. 111 Abs. 3; VersAusglG § 48 Abs. 2 Nr. 1; ZPO §§ 246, 614, 251, 251a; FGG § 53c; VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1; FamFG § 52 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 10.08.2010; Aktenzeichen 609 F 5530/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich im Urteil des AG - Familiengericht - Hannover vom 10.8.2010 (II. des Urteilstenors) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.
Beschwerdewert: 2.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien sind Eheleute. Innerhalb der hier vom 1.8.1970 bis zum 30.11.2004 dauernden Ehezeit erwarb die Antragstellerin Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 108,26 EUR, der Antragsgegner ebensolche i.H.v. monatlich 55,89 EUR sowie darüber hinaus Anwartschaften auf berufsständische Versorgung bei der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen i.H.v. monatlich 209,22 EUR.
Mit Urteil vom 10.8.2010, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das AG die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass es zu Lasten der berufsständischen Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 78,43 EUR auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete.
Gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich (allein) dagegen wendet, dass zum Ausgleich seine Anwartschaften aus der berufsständischen Versorgung anstelle seiner Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen wurden.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.
1. Für das vorliegende Versorgungsausgleichsverfahren ist angesichts des Umstandes, dass das Scheidungsverbundverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde und die erstinstanzliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vor dem 1.9.2010 erging, weiterhin das bis dahin geltende Verfahrens- und materielle Recht anzuwenden (Art. 111 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5, 112 Abs. 1 FGG-RG, § 48 Abs. 1 und 3 VersAusglG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das gesamte, seit 2004 anhängige Verbundverfahren nach dem auf Antrag der Antragstellerin aufgehobenen Verhandlungstermin vom 30.11.2007 bis Juni 2010 wegen schwebender Einigungsbemühungen um eine außergerichtliche Einigung bezüglich weiterer Scheidungsfolgen nicht betrieben wurde.
Ein derartiges lediglich faktisches Nichtbetreiben reicht indes nicht aus, um einen Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts gem. Art. 111 Abs. 3 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG herbeizuführen; vielmehr ist danach eine förmliche Anordnung der Aussetzung (etwa gem. §§ 246 oder 614 ZPO, § 53c FGG, § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG oder § 52 Abs. 2 FamFG) oder des Ruhens des Verfahrens gem. §§ 251, 251a ZPO erforderlich. Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch.
Soweit diesbezüglich vertreten wird, bereits ein bloßes Nichtbetreiben des Verfahrens über einen Zeitraum von sechs Monaten entsprechend § 7 Abs. 3 AktO führe zu einem Wechsel des anzuwendenden materiellen und Verfahrensrechts (Keidel-Engelhardt, FamFG, Art. 111 FGG-RG Rz. 6 f.), kann dem nicht gefolgt werden. Die dieser Auffassung ersichtlich zugrunde liegende Fassung des Versorgungsausgleichsstrukturreformgesetzes (VAStrRefG) in Gestalt des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 16/10144, 16, 86) hat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens entscheidende Änderungen dahingehend erfahren, dass nunmehr sowohl in Art. 111 Abs. 3 FGG-RG als auch in § 48 Abs. 2 VersAusglG für einen Wechsel des anzuwendenden Rechts im Interesse der Rechtsklarheit verlangt wird, dass das Verfahren vor seiner Wiederaufnahme durch eine formelle gerichtliche Entscheidung ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht wurde (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/10144, 127, und im Anschluss daran die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 16/11903, 23, 57, 61 f.). In dieser letzteren, engeren Fassung sind die Änderungen des FGG-FG und des VersAusglG in Kraft getreten.
2. Nach dem danach maßgeblichen bisherigen Versorgungsausgleichsrecht hat das AG den Wertau...