Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Vergabe eines Rahmenvertrages über die Lieferung von Streusalz unter Berücksichtigung insbesondere des Grundsatzes der produktneutralen Ausschreibung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 VOL/A-EG, wenn bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrages über die Lieferung von tauenden Streustoffen Salz aus einer bestimmten Gewinnungsstätte ausgeschlossen wird, bei dessen Verwendung in der Vergangenheit erhebliche Probleme (u.a. Verkrustungen und Verklumpungen) aufgetreten waren. Im Hinblick auf die zwingende Notwendigkeit eines jederzeit störungsfreien Betriebs des Winterdienstes darf der Auftraggeber die absehbaren Risiken der (Weiter-)Verwendung dieses Streusalzes ausschließen und den sichersten Weg wählen, weil bereits das tatsächlich vorhandene Risikopotential die getroffene Beschaffungsentscheidung sachlich rechtfertigt.

2. Die unterlassene Aufteilung des Liefervolumens in Teillose verletzt den Bieter nicht in seinen Rechten, wenn er selbst bei unterstellter Teillosbildung den Zuschlag nicht erhalten hätte.

 

Normenkette

GWB § 97 Abs. 3; GWB a.F. § 97 Abs. 7; VOL/A-EG § 8 Abs. 7 S. 1

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 15.09.2016; Aktenzeichen VgK-34/2016)

 

Tenor

1. Termin zur mündlichen Verhandlung wird anberaumt auf

Dienstag, den 20.12.2016, 12:15 Uhr, Saal 153.

2. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Lüneburg vom 15.9.2016 (VgK-34/2016) bis zur Entscheidung über diese Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

3. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, eine etwaige Zuschlagserteilung dem Senat und der Antragstellerin unverzüglich mitzuteilen.

4. Der Antragstellerin wird aufgegeben, bis zum 9.12.2016 mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgeführt oder die sofortige Beschwerde zurückgenommen werden soll.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren mit europaweiter Bekanntmachung vom 23.4.2016 (Anlage KDU 2, Bl. 44 ff. d.A.), abgesendet am 13.4.2016, einen Rahmenvertrag über die Lieferung von tauenden Streustoffen und Sole an die regionalen Geschäftsbereiche A., B. und C. für die Winterperioden 2016/2017 bis 2019/2020 aus. Innerhalb der vierjährigen Vertragslaufzeit sollte der künftige Auftragnehmer eine Gesamtmenge von 85.000 t tauenden Streustoffen und 3.000 t Sole direkt an die Straßenmeistereien oder Lagerplätze der vorgenannten regionalen Geschäftsbereiche liefern, davon pro Werktag bis zu 900 t Streugut unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zwei Werktagen nach Abruf. Eine Aufteilung des Auftrags in Fach- oder Teillose war nicht vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis.

In der der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 23.5.2016 (Anlage KDU 4, Bl. 60 ff. d.A.) beigefügten Leistungsbeschreibung (Anlagenkonvolut KDU 3, Bl. 49 ff. d.A.) war unter Ziffer 3.3 der Ausführungsbeschreibung unter der Überschrift "Stoffe und Teile" neben detaillierten Anforderungen an die Qualität des zu liefernden Tausalzes - u.a. nach dem anerkannten Regelwerk Technische Lieferbedingungen für Tauende Streustoffe (TL-Streu) nebst zusätzlichen Anforderungen - geregelt, dass Salzlieferungen aus der Gewinnungsstätte S. - Marokko "vom Vertrag ausgeschlossen" seien. Dieser Ausschluss fand sich auch unter Ziffer 16 der EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe wieder. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Wortlaut dieser Aufforderung sowie der Ausführungsbeschreibung verwiesen.

Die Antragstellerin rügte nach Anforderung der Vergabeunterlagen mit Schreiben vom 12.6.2016 (Anlage KDU 5, Blatt 66 ff. d.A.) insbesondere, dass der Gesamtauftrag nicht in Teil- und Fachlose aufgeteilt sei, und widersprach dem Ausschluss der marokkanischen Gewinnungsstätte, aus der die Antragstellerin als einzige Anbieterin für Niedersachsen ihr Streusalz bezieht. Letzteres war dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Ausschreibung auch bekannt, weil die Antragstellerin zuletzt seit dem Jahre 2014 Vertragspartnerin des Antragsgegners für die Lieferung von Streusalz an die vorgenannten Geschäftsbereiche gewesen war. Die damalige Auftragsvergabe war Gegenstand des Verfahrens 13 Verg 12/13 vor dem hiesigen Vergabesenat. In diesem Verfahren hatte ein anderer Bieter die Aufhebung und Wiederholung der Ausschreibung insbesondere mit dem Argument begehrt, der hiesigen Antragstellerin fehle die Eignung, weil sie ungeeignetes Salz aus der marokkanischen Gewinnungsstätte verwende. Das vorgenannte Verfahren endete mit einem Vergleich vom 2.6.2014, wonach der an die hiesige Antragstellerin erteilte Zuschlag des Antragsgegners vom 5.2.2014 Bestand hatte. Nachdem es in der Folgezeit aus zwischen den Parteien streitigen Gründen zu massiven Problemen bei der Abwicklung des Winterdienstes mit dem marokkanischen Salz gekommen war, die in...

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