Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 5 T 28/21)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors vom 10. September 2021 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 17. August 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG zulässige weitere Beschwerde ist begründet.

Der angefochtene Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vermag nicht zu überzeugen. Die Entscheidung, die sich den Ausführungen des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle in seinem Beschluss vom 13. Juli 2020 (Az.: 4 W 37/20) ohne inhaltliche Auseinandersetzung anschließt, beruht nach Auffassung des Senats auf einem unzutreffenden Verständnis der Gesetzesbegründung, zumal wesentliche Aspekte der Gesetzesgenese außer Betracht bleiben (vgl. zur Kritik an der Entscheidung des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle auch Richter/Zuhn, Gerichtsvollzieherkosten im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls, DGVZ 2020, 194, 200).

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gebühr nach den Nr. 207 und 208 KV GvKostG auch für den Versuch einer gütlichen Einigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft von einem Gerichtsvollzieher in Rechnung gestellt werden darf (verneinend: LG Osnabrück, Beschluss vom 16. Februar 2021, Az.: 9 T 18/21, zitiert nach juris = DGVZ 2021, 94ff.; Richter/Zuhn, Gerichtsvollzieherkosten im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls, DGVZ 2020, 194ff.; NK-GK/Kawell, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., KV GvKostG Nr. 207-208 Rn. 19; Eggers, in: Schröder-Kay/Gerlach/Eggers, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 14. Auflage, Nrn. 207, 208 II Rn. 26; bejahend: OLG Celle (4. Zivilsenat), Beschluss vom 13. Juli 2020, Az.: 4 W 37/20 = DGVZ 2020, 208; LG Krefeld DGVZ 2021, 93f. und nachfolgend OLG Düsseldorf, Az.: I-10 W 90/20; Mroß, Gebühr für Gütliche Erledigung bei Vollziehung eines Haftbefehls, DGVZ 2020, 118f.; ders. Anmerkung zu LG Osnabrück, a.a.O., DGVZ 2021, 96; Forbiger, in: Hartmann/Touissant, Kostenrecht, 50. Auflage, GvKostG KV 208 Rn. 3 unter Hinweis auf LG Kassel DGVZ 2019, 44).

Der Senat schließt sich für den vorliegenden Fall der zuerst genannten Ansicht an.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Gemäß § 802a Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Gerichtsvollzieher befugt, aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrages und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung eine gütliche Erledigung der Sache (§ 802b ZPO) zu versuchen. Da es insoweit an einem Gebührentatbestand fehlte, hat der Gesetzgeber zunächst die Nr. 207 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtsvollzieherkostengesetz eingeführt, wonach der Gerichtsvollzieher, der "isoliert" mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung beauftragt wird, eine Gebühr in Höhe von 12,50 EUR erheben kann (siehe BT-Drucksache 16/10069, Seite 48). Klargestellt wurde aber in der Anmerkung zu Nr. 207 auch, dass diese Gebühr nicht entsteht, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer Maßnahme beauftragt ist, die auf die Einholung einer Vermögensauskunft des Schuldners (§ 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 802c ZPO) "und" die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen (§ 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO) gerichtet ist.

2. Da die Formulierung "und" allerdings dahingehend missverstanden werden konnte, dass die Gebühr nur dann nicht entsteht, wenn der gleichzeitig erteilte Auftrag sowohl auf die Einholung einer Vermögensauskunft als auch (zusätzlich) auf eine Pfändung und Verwertung gerichtet war, hat sich der Gesetzgeber später veranlasst gesehen, die Regelung in Nr. 207 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtsvollzieherkostengesetz dahingehend zu ändern, dass das Wort "und" durch das Wort "oder" ersetzt wird. Damit wollte er klarstellen, dass die gleichzeitige Beauftragung mit nur einer der in § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO genannten Maßnahmen genügt, damit die Gebühr gemäß Nr. 207 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtsvollzieherkostengesetz nicht entsteht (siehe BT-Drucksache 18/7560, Seite 51).

3. Überdies war ferner Streit darüber entstanden, ob von einer gleichzeitigen Beauftragung im vorgenannten Sinne (Auftrag für eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO) auch dann gesprochen werden kann, wenn der Auftrag nur für den Fall erteilt wurde, dass der Auftrag, den Versuch einer gütlichen Erledigung zu unternehmen, scheitere (sog. bedingter Auftrag). Dies hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Regelung in § 3 Gerichtsvollzieherkostengesetz erneut zu ändern und durch eine Ergänzung von § 3 Abs. 2 Gerichtsvollzieherkostengesetz klarzustellen, dass der Gerichtsvollzieher auch dann als gleichzeitig beauftragt gilt, wenn der Auftrag in der Weise mit einem Auftrag auf Vornahme einer Amtshandlung verbunden ist, dass diese Amtshandlung nur im Fal...

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