Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung nach Berufungserwiderung in Unkenntnis der Rechtsmittelrücknahme
Leitsatz (amtlich)
Reicht der Berufungsbeklagte in unverschuldeter Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rechtsmittelrücknahme eine Berufungserwiderung ein, steht ihm gegen den Berufungsführer ein Anspruch auf Erstattung der vollen Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG zu (im Anschluss an OLG München AGS 2016, 547 und BAG AGS 2013, 99; gegen BGH AGS 2016, 252) zu.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1; RVG-VV Nr. 3104
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 14.12.2016; Aktenzeichen 1 O 13/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 15.12.2016 wird der ihr am 14.12.2016 zugestellte Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom
3.11.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Oberlandesgericht in Celle vom 16.8.2016 (Geschäftsnummer 12 U 6/16) von dem Kläger an die Rechtsanwältin K. P. als Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu erstattenden Kosten der II. Instanz werden auf 1.524,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 4.10.2016 festgesetzt.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 486,86 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegen das am 18.4.2016 verkündete Urteil des LG legte der Kläger am 24.5.2016 Berufung ein. Er begründete seine Berufung mit am 21.7.2016 bei dem Oberlandesgericht Celle eingegangenem Schriftsatz. Durch Beschluss vom 2.8.2016 wies der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Dieser Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit der Berufungsbegründung am 9.8.2016 mit einer Erwiderungsfrist von einem Monat zugestellt.
Mit vorab per Telefax bei dem Oberlandesgericht Celle am 16.8.2016 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage erklärte der Kläger die Rücknahme der Berufung. Mit Beschluss vom 16.8.2016 hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle dem Kläger die Kosten des Rechtsmittels auferlegt. Dieser Beschluss wurde der Bevollmächtigten der Beklagten mit dem Schriftsatz des Klägers vom 16.8.2016 am 22.8.2016 zugestellt.
Mit bei dem Oberlandesgericht Celle am 22.8.2016 eingegangenem Schriftsatz der Beklagten vom 19.8.2016 beantragte die am 21.6.2016 von der Beklagten beauftragte Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragte die Festsetzung der ihr im Berufungsverfahren entstandenen Kosten gegen den Kläger. Sie macht eine Verfahrensgebühr von 1,6 für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.260,80 EUR sowie die Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikationsleistungen in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer, also insgesamt 1.524,15 EUR, geltend.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.11.2016 hat die Rechtspflegerin der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 1.055,29 EUR festgesetzt. Das LG hat die Entscheidung damit begründet, dass die Beklagte lediglich Erstattung einer 1,1 Verfahrensgebühr nach Nummer 3201 VV RVG verlangen könne. Eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nummer 3200 VV RVG sei nicht erstattungsfähig, weil die Stellung eines Sachantrages auf Zurückweisung der Berufung in Anbetracht der bereits erfolgten Berufungsrücknahme zur Rechtsverteidigung objektiv nicht erforderlich gewesen sei.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten darauf ankomme, wann der beauftragte Rechtsanwalt von der Berufungsrücknahme Kenntnis erhalten habe und deshalb seine weitere Tätigkeit auf diesen Umstand hätte einstellen können.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten durch Beschluss vom 22.12.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Celle zur Entscheidung vorgelegt.
Der Einzelrichter hat durch Beschluss vom 6.1.2017 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 Satz 1,567 Abs. 1 Nummer 1, 569 ZPO statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat der Beklagten für das Berufungsverfahren gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit Nummer 3200 VV RVG eine 1,6 Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post und Telekommunikationsleistungen nebst Umsatzsteuer zu erstatten, so dass die Beklagte von dem Kläger Erstattung eines weiteren Betrages in Höhe 486,86 EUR, also eines Betrages in Höhe von insgesamt 1524,15 EUR verlangen kann. Mit Rück...