Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsbeiordnung im Verfahren betreffend die elterliche Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem verfahrenskostenhilfeberechtigten Elternteil, dessen elterliche (Mit-) Sorge Gegenstand eines gerichtlichen Prüfungsverfahrens ist, in dem eine Trennung des Kindes von seiner Familie in Betracht gezogen wird, ist regelmäßig auch ein Rechtsanwalt beizuordnen.

2. Eine Anwaltsbeiordnung ist allerdings dann nicht geboten, wenn - etwa aufgrund eindeutiger Hinweise des Gerichtes oder aufgrund bereits abschließender Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes oder des Jugendamtes - bereits bei Entscheidungsreife über das Gesuch um VKH bzw. die Anwaltsbeiordnung mit einem Eingriff in die elterliche Sorge nicht (mehr) ernstlich zu rechnen ist.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 08.03.2011; Aktenzeichen 625 F 147/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 8.3.2011 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise geändert:

Der Kindesmutter wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

I. Am 7.1.2011 machte das Jugendamt der Stadt L. dem AG - Familiengericht - hinsichtlich des betroffenen Kindes und seiner beiden Geschwister eine Mitteilung nach § 8a SGB VIII; der ausführliche Bericht zur aktuellen Situation endete mit der Feststellung, dass aus Sicht des Jugendamtes ein Verbleib der Kinder in der Familie unter den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr verantwortet werden könne; einen förmlichen Antrag stellte das Jugendamt dagegen nicht. Daraufhin leitete das AG hinsichtlich des betroffenen Kindes das vorliegende Verfahren ein.

Mit Beschluss vom 14.1.2011 bestellte das AG - insofern auch der ausdrücklichen Anregung des Jugendamtes folgend - dem Betroffenen als berufsmäßigen Verfahrensbeistand eine - in der Vergangenheit als Verfahrenspflegerin bereits tätig gewesene - Rechtsanwältin; in dem verwendeten Formulartext heißt es u.a. "weil es sich um ein Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a BGB handelt und eine teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt (§ 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG)". Auf Anregung des Verfahrensbeistandes wurde dieser Beschluss noch dahin erweitert, dass dem Verfahrensbeistand auch die Aufgabe übertragen wurde, Gespräche mit den Bezugspersonen zu führen. Die Beschlüsse über die Beistandsbestellung sowie die Aufgabenerweiterung wurden auch den Kindeseltern übermittelt.

Am 27.1.2011 legitimierte sich für die Kindesmutter Rechtsanwalt S. aus L., der um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter seiner Beiordnung nachsuchte und zunächst um Akteneinsicht bat; dem Gesuch war eine weitestgehend ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der aktuelle - teilweise mit den Angaben in der Erklärung allerdings in Widerspruch stehende - Bewilligungsbescheid des örtlichen JobCenters beigefügt. Unmittelbar nach der alsbald erfolgten Akteneinsicht bat RA S. am 10.2.2011 darum, von einer Beiordnung abzusehen, da er die Kindesmutter nicht mehr vertrete.

Ebenfalls am 10.2.2011 ging die ausführliche Stellungnahme des Verfahrensbeistandes ein; darin wird von umfangreichen Gesprächen mit den Kindeseltern unter Einbeziehung weiterer Familienangehöriger sowie insbesondere auch der aktuellen Familienhelferin berichtet, in denen sämtliche in der Jugendamts-Mitteilung enthaltenen Problembeschreibungen eingehend angesprochen werden konnten. Den Kindeseltern wird danach - bestätigt auch durch entsprechende Angaben der Familienhelfer - angemessenes Problembewusstsein, Offenheit für die Annahme entsprechender Hilfeangebote, Einsicht in notwendige Veränderungen sowie insbesondere deren rasche Umsetzung bestätigt. Insgesamt kommt der Verfahrensbeistand zu dem eindeutigen Ergebnis, dass familiengerichtliche Maßnahmen nicht erforderlich sind. Das AG hat den Bericht den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis übersandt und - insbesondere gegenüber dem Jugendamt - darauf hingewiesen, dass es danach keine Veranlassung für weitere Maßnahmen oder einen Anhörungstermin sehe.

Am 18.2.2011 zeigte die nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter eine Vertretung der Kindeseltern an, suchte unter Bezugnahme auf die bereits (für die Kindesmutter) überreichten Unterlagen erneut um VKH - diesmal unter ihrer Beiordnung - nach und nahm - erstmals - für die Kindeseltern in der Sache Stellung. Eine - vom AG zugleich mit dem erneuten Hinweis darauf, dass weitere Maßnahmen in diesem Verfahren nicht beabsichtigt seien, angeforderte - Vollmacht für die Verfahrensbevollmächtigte ist erst am 7.3.2011 und allein von der Kindesmutter vorgelegt worden.

Mit Beschluss vom 8.3.2011 versagte das AG die von der Kindesmutter nachgesuchte VKH unter Berufung auf verfahrenskostenhilferechtliche Mutwilligkeit; nach Vorliegen des Berichtes des Verfahrensbeistandes seien aus Sicht des AG famili...

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