Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Irrtum über die Freiwilligkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Widerspruch gegen die Verwertung eines Beweises handelt es sich um ein prozessuales Gestaltungsrecht, das ein Angeklagter in dem Zeitpunkt geltend machen muss, in dem es ihm erstmals möglich war. Erfolgt der Widerspruch später, ist er präkludiert und damit unbeachtlich.
Irrt sich der Angeklagte über die Möglichkeit, die Herausgabe eines Gegenstandes verweigern zu können, zieht dies kein Verwertungsverbot nach sich.
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 17.01.2013) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 17.01.2013 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover verurteilte den Angeklagten am 21.09.2012 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Das sichergestellte Mobiltelefon Nokia 1616 wurde eingezogen. Mit Urteil vom 17.01.2013 verwarf das Landgericht Hannover die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte am 13.06.2012 von den Polizeibeamten K. und B. im Bereich H. Straße in H. kontrolliert, da der Zeuge K. sich daran erinnern konnte, dass der Angeklagte aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden war. Beim Abgleich der Personalien erhielten die Polizeibeamten zudem Kenntnis von einem Haftbefehl zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe. Auf dem Polizeikommissariat bemühte sich der Angeklagte erfolglos, Kontakt zu einem Bekannten aufzunehmen, um den haftbefreienden Betrag in Höhe von 800,- Euro zu organisieren. Hierzu nutzte er die Daten aus dem von ihm mitgeführten Mobiltelefon. Für die Dauer der Nachfragen bei der Ausländerbehörde zu dem ausländerrechtlichen Status des Angeklagten verbrachten die Polizeibeamten den Angeklagten aufgrund des Haftbefehls zunächst in den Gewahrsamsbereich. Vor dem Gang in die Gewahrsamszelle übergab der Angeklagte sein Mobiltelefon an die Polizeibeamten, die es zu seiner übrigen Habe auf den Dienstschreibtisch legten. In der Folgezeit gingen zwei Anrufe ein, die von den Polizeibeamten angenommen wurden. Dabei gingen die Polizeibeamten davon aus, dass sie auf diese Weise dem Angeklagten helfen konnten, den haftbefreienden Betrag zu beschaffen.
Die bruchstückhaft auf Englisch geführten Telefonate dienten aus Sicht der Anrufer jedoch einem ganz anderen Zweck. Der Angeklagte befand sich nämlich bis zur polizeilichen Kontrolle auf dem Weg zum Parkplatz eines A. Marktes, um dort verabredungsgemäß eine Lieferung von knapp 700 g Kokain entgegenzunehmen. Der Kurier wartete bereits vergeblich auf das Eintreffen des Angeklagten, konnte ihn mehrfach nicht erreichen und befürchtete, die falsche Telefonnummer notiert zu haben. Daher schaltete er einen niederländischen Tatbeteiligten ein, der Kontakt zum Angeklagten aufnehmen sollte. Der daraufhin aus den Niederlanden getätigte Anruf wurde von dem Polizeibeamten K. angenommen, eine wirkliche Verständigung kam aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht zustande. An-schließend teilte der niederländische Tatbeteiligte dem wartenden Kurier mit, dass der Angeklagte sehr wohl erreichbar wäre, er habe gerade mit diesem telefoniert. Den zweiten Anruf, entgegengenommen von dem Polizeibeamten B., tätigte sodann der Kurier. Aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten und der unterschiedlichen Erwartungshorizonte ging der Kurier davon aus, dem Angeklagten mitzuteilen, dass er auf dem Parkplatz des A. Marktes mit seinem Motorrad warte, um das Kokain übergeben zu können. Der Polizeibeamte vermutete hingegen, von einem hilfsbereiten Bekannten des Angeklagten auf einen Treffpunkt hingewiesen worden zu sein, um den haftbefreienden Betrag entgegennehmen zu können. So ließ er sich von zwei uniformierten Kollegen zum Treffpunkt fahren. Dort wartete der Kurier, wobei sich das Päckchen mit dem Kokain auf dem Gepäckträger seines Motorrades befand. Die Betäubungsmittel wurden sichergestellt und sowohl der Angeklagte als auch der Kurier vorläufig festgenommen.
Der Angeklagte behauptete vor dem Amtsgericht, ein fremdes Mobiltelefon bei sich gehabt und es freiwillig an die Polizeibeamten übergeben zu haben. In zweiter Instanz schwieg er zu den Vorwürfen. Die Feststellungen hinsichtlich der Inhaberschaft am Telefon stützte die Kammer auf die Angaben der Polizeibeamten, die die Nutzung des Telefons durch den Angeklagten schilderten, um die Geldstrafe von 800,- Euro zu beschaffen. Die Schlussfolgerung, dass der Angeklagte nach Übergabe der fast reinen 700 g Kokain Alleingewahrsam daran erhalten sollte, zog die Kammer im Wesentlichen aus den Auswertungen der bei dem Angeklagten und dem Kurier sichergestellten Telefone.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materie...