Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 3 O 157/22) |
Tenor
Die am 7. Juni 2024 bei dem Landgericht Lüneburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 7. Juni 2024 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 3. Zivil-kammer des Landgerichts Lüneburg vom 5. Juni 2024 ≪3 O 157/22≫ in der Gestalt des Beschlusses über die teilweise Abhilfe vom 25. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf 831,30 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache - soweit über sie nach teilweiser Abhilfe noch zu entscheiden ist - keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen.
Die Rechtspflegerin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten zutreffend auf 3.766,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2024 festgesetzt und hierbei zu Recht die Reisekosten des Klägers und des Klägervertreters berücksichtigt.
Die Einwendung der Beklagten, der Unfall habe sich in Berlin ereignet und sowohl der Kläger als auch die Prozessbevollmächtigten seien in Berlin ansässig, so dass die Klage dort zu erheben gewesen wäre und die Klageerhebung vor dem Landgericht Lüneburg lediglich erfolgt sei, um der Rechtsprechung der Berliner Gerichte zur Vorschadenproblematik und provozierten Verkehrsunfällen zu entgehen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Hierzu im Einzelnen:
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind als Kosten des Rechtsstreits diejenigen erstattungsfähig, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, mithin solche unmittelbar prozessbezogenen Kosten, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei ex ante als sachdienlich ansehen durfte [BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - VII ZB 18/14, NJW 2017, 1397, Rn. 12]. Die Partei darf ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen [BGH, Beschluss vom 14.09.2021, Az.: VIII ZB 85/20, zitiert nach juris Rn. 10], wobei sie jedoch gehalten ist, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Es gilt das Gebot sparsamer Prozessführung [BGH MDR 2010, 1342 = NJW 2011, 529f.; OLG Hamm MDR 1984, 103f.; MüKo/Giebel, ZPO, § 91 Rdz. 38; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rdz. 12.] als Ausprägung des die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschenden Prinzips von Treu und Glauben [BGH, Beschluss vom 14.09.2021, Az.: VIII ZB 85/20, zitiert nach juris Rn. 10; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018, Az.: XII ZB 112/17, zitiert nach juris Rn. 19; siehe auch BGH, Beschluss vom 27.01.2011 - Az.: III ZB 97/09, und MDR 2007, 1160]. Der prozessuale Erstattungsanspruch besteht daher nur in den Grenzen einer sparsamen, nicht aber der einer optimalen Prozessführung [vgl. OLG Jena OLG-NL 2006, 207, 208; MüKo/Giebel, ZPO, 3. Auflage, § 91 Rn. 38], was angesichts der Ausgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens als Massenverfahren anhand einer typisierenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist [BGH, Beschluss vom 25.10.2011, Az.: VIII ZB 93/10; BGH, Beschluss vom 28.01.2010, Az.: III ZB 64/09 = JurBüro 2010, 369f.; BGH NJW 2007, 2048 f., zitiert nach JURIS Rdz. 7; NJW 2003, 901, 902; NJW-RR 2005, 725, 727; NJW-RR 2005, 1662; JurBüro 2003, 205ff.; OLG Celle, Beschluss vom 24.10.2008, Az.: 2 W 216/08 sowie Beschl. vom 21.11.2008, Az: 2 W 245/08].
Hiernach sind sowohl die anwaltlichen Reisekosten und das Abwesenheitsgeld als auch die Reisekosten des Klägers sowie die Entschädigung für die Zeitversäumnis als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten begegnet die Klagerhebung vor dem Landgericht Lüneburg keinen durchgreifenden Bedenken und steht der Annahme der
Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der mit der Anreise zu den Gerichtsterminen verbundenen Kosten nicht entgegen.
Die freie Wahl des Gerichtsstands ist in den Grenzen des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht einzuschränken [Anders/Gehle/Gehle, 82. Aufl. 2024, ZPO § 91 Rn. 177]. Gemäß § 35 ZPO hat der Kläger - ohne dass dies an weitere Voraussetzungen geknüpft wäre - das Wahlrecht unter mehreren zuständigen Gerichten, das bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall unabhängig davon besteht, welcher Gerichtsstand die geringsten Kosten für den Gegner verursachen würde. Um einen Wertungswiderspruch zu der Wahlfreiheit gemäß § 35 ZPO zu vermeiden, kommt eine Versagung der Kostenerstattung erst dann in Betracht, wenn sich die Gerichtsstandswahl im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellt [zu Vorstehe...