Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertbarkeit einer durch einen Polizeibeamten angeordneten Blutentnahme. Anforderungen an die Ausführung des Verfahrensverstoßes in einer Verfahrensrüge
Leitsatz (amtlich)
1. Wird mit der Revision gerügt, das Ergebnis der Untersuchung einer ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe hätte nicht verwertet werden dürfen, so muss nicht nur dargelegt werden, wann der Verwertung des Sachverständigengutachtens widersprochen wurde, sondern auch, dass dies spätestens nach der ersten Einführung des Gutachtens im Rahmen einer (evtl. auch später ausgesetzten) Hauptverhandlung geschehen ist.
2. Die fehlende Erreichbarkeit eines Richters für die Anordnung der Blutentnahme auch am Wochenende stellt einen justiziellen Organisationsmangel dar, der zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte.
Verfahrensgang
AG Verden (Aller) (Entscheidung vom 04.05.2010) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Verden
(Aller) vom 04.05.2010 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Das Amtsgericht - Strafrichter - Verden verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,00 €. Außerdem entzog es ihm die Fahrerlaubnis und ordnete für deren erneute Erteilung eine Sperre von sieben Monaten an.
Das Amtsgericht stellte fest, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte ledig und kinderlos ist. Er arbeitet als Produktionshelfer in einer Zeitarbeitsfirma und verdient netto zwischen 800,00 € und 900,00 € monatlich.
Am Sonntag, den 20.12.2009 befuhr der Angeklagte gegen 07:15 Uhr mit seinem PKW VW Golf die D. Straße in V., obwohl er aufgrund zuvor genossenen Alkohols nicht mehr fahrtüchtig war, was er hätte erkennen können und müssen. Die Untersuchung seines um 09:13 Uhr auf polizeiliche Anordnung entnommenen Blutes ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 g ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X. Der Angeklagte kam in Höhe des Hauses D. Straße Nr. in V. mit seinem KFZ nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen die Grundstücksmauer. An dieser entstand ein Schaden in Höhe von 300,00 €.
Die Feststellung hinsichtlich der Fahrereigenschaft stützte das Amtsgericht auf die Angabe der Zeugin L., der PKW des Angeklagten habe vor dem Haus gestanden und der Angeklagte sei im Besitz des KFZ-Schlüssels gewesen. Weitere Personen seien nicht dort gewesen. Nach den Angaben des Polizeibeamten D. sei der Schlüssel später im Hausflur der Zeugin L. gefunden worden. Nach den Angaben der Polizeibeamten F. und H. sei von der Fahrerseite des PKW des Angeklagten im Schnee nur eine Fußspur zu dem Haus der Zeugin L. zu sehen gewesen. Auf die Fahruntüchtigkeit und den Blutalkoholgehalt um 09:13 Uhr schloss der Strafrichter aus dem verlesenen Gutachten über die Untersuchung der zweiten Blutprobe.
Bei der Strafzumessung ging das Amtsgericht vom Strafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB aus. Bei der Wahl der konkreten Strafe berücksichtigte es strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Gutachten über die Bestimmung des Blutalkoholgehalts hätte nicht verwertet werden dürfen. Die Blutentnahme sei ohne Einwilligung des Angeklagten unter Umgehung des Richtervorbehalts durch einen Polizeibeamten angeordnet worden. Das Fehlen eines richterlichen Eildienstes zur Tagzeit im Sinne des § 104 Abs. 3 StPO stelle einen organisatorischen Mangel dar, mit dem Gefahr im Verzug nicht begründet werden dürfe. Auch hätte vor der Anordnung durch den Polizeibeamten D. zunächst der Bereitschaftsstaatsanwalt angerufen werden müssen, da dieser vorrangig gegenüber Polizeibeamten zur Entscheidung über die Entnahme einer Blutprobe berufen gewesen wäre. Zudem sei ein Beweisantrag zur Häufigkeit von Anordnungen im Landgerichtsbezirk Verden, die dem Richtervorbehalt unterfallen, zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt worden, die behauptete Tatsache sei als wahr zu unterstellen. Die Sachrüge ist nicht weiter ausgeführt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel ist in der Sache erfolglos.
1. a) Die Verfahrensrüge ist hinsichtlich der Verwertung des Blutalkoholgutachtens bereits nicht in der durch § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form erhoben. Die Revisionsbegründung muss alle für die Prüfung der gerügten Verletzung des Verfahrensrechts relevanten Tatsachen und Vorgänge ohne Bezugnahmen und Verweisungen enthalten (vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 344 Rn. 20 f.). Zur Prüfung der Verletzung eines etwaigen Verwertungsverbots ist es daher unerlässlich, nicht nur mitzuteilen, dass, sondern auch wann der Verwertung widersprochen wurde und hierbei auch die Tatsachen anzugeben, aus denen sich ergibt, dass dies noch rechtzeitig war (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 260; Senat, Beschlüsse vom 11.05.2010, Az. 3...