Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG kann noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden.
Verfahrensgang
AG Nordhorn (Entscheidung vom 09.02.2009) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts N. zurückverwiesen.
Gründe
1. Mit Urteil des Amtsgerichts N. vom 9. Februar 2009 wurde der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde - Region H. ,Team' Ordnungswidrigkeiten - vom 12. August 2008 nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung verworfen, der ordnungsgemäß geladene, von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betroffene sei ohne ausreichende Gründe der Hauptverhandlung ferngeblieben. Der in der Hauptverhandlung gestellte Entbindungsantrag sei zu spät gestellt worden. Das Amtsgericht hatte mit dieser Begründung den in der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag abgelehnt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner als Zulassungsantrag gestellten Rechtsbeschwerde, die er zwar nicht ausdrücklich, der Sache nach aber erkennbar auf die Verletzung formellen Rechts stützt. Mit seiner Verfahrensrüge macht er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, wobei er sein Rechtsmittel namentlich auf die Auffassung stützt, das Amtsgericht habe den in der Hauptverhandlung erst gestellten Entbindungsantrag nicht als verspätet ablehnen dürfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, nach Zulassung der Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht N. zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Auch sie sieht eine Verletzung rechtlichen Gehörs für gegeben.
2. Die zur Entscheidung zugelassene Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil konnte keinen Bestand haben. Mit seiner in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge hat der Betroffene zu Recht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, Art. 102 Abs. 1 GG geltend gemacht.
a) Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Zuschrift hierzu ausgeführt:
"1. Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist gem. §§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 4 OWiG, §§ 341, 345 StPO fristgerecht erhoben und genügt meines Erachtens den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, der auch auf diese Rüge Anwendung findet (vgl. OLG Köln NStZ-RR 1998, 345; OLG Hamm, StraFo 2006, 425; Senge in : KK-OWiG, 3. Auflage, § 80 Rdnr. 41 b, 42 m.w.N.).
Eine Verwerfung des Einspruchs, die unter Verletzung des § 74 Abs. 2
OWiG erfolgt ist, verletzt dann den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie dazu geführt hat, dass eine sachliche Einlassung des Betroffenen unberücksichtigt geblieben ist (KG Berlin NZV 2003, 586). Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch des Betroffenen durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zu persönlichem Erscheinen nicht entsprochen worden ist (OLG Hamm, StraFo 2006, 425).
Die die Gehörsverletzung begründenden Tatsachen hat der Betroffene in der Begründung seines Zulassungsantrages vorgetragen. Er hat nicht nur Zeitpunkt und Begründung seines Entbindungsantrages sowie die Entscheidung des Amtsgerichtes dargestellt (Bl. 109 d. A.), sondern auch den genauen Tatvorwurf (Bl. 108 d. A.) und im Wesentlichen dessen Beweislage (Bl. 108, 113 d. A.) darlegen lassen. Schließlich enthält der Antrag sogar eine substantiierte Darlegung dessen, was der Betroffene bzw. sein Verteidiger im Fall seiner Anhörung in der Hauptverhandlung zur Sache vorgebracht hätten.
2. Darüber hinaus ist die Nachprüfung des Urteils auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts geboten. Bei der vom Amtsgericht ablehnend entschiedenen Rechtsfrage, ob ein Entbindungsantrag noch in der Hauptverhandlung gestellt werden kann, handelt es sich die Auslegung einer entscheidungserheblichen Norm von erheblicher praktischer Bedeutung, die obergerichtlich noch nicht einheitlich entschieden wurde. Im Falle einer Fehlentscheidung in erster Instanz sind wegen der daraus resultierenden Verletzung des rechtlichen Gehörs erhebliche Eingriffe in die Rechte des Betroffenen zu verzeichnen.
III. Ich halte den Zulassungsantrag auch für begründet, weil die Verfahrensweise des Amtsgerichts den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt hat. Diese Verletzung ergibt sich bereits daraus, dass das Amtsgericht dem Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG nicht stattgegeben hat, obwohl dieser rechtzeitig gestellt worden ist.
Der Antrag war durch den Verteidiger aufgrund einer entsprechend umfas...