Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutwilligkeit der späteren Rechtsverteidigung bei Unterlassen einer entsprechenden Stellungnahme im vorangegangenen VKH-Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt es der Antragsgegner anlässlich der Prüfung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugunsten des Antragstellers ohne triftigen Grund, in einer rechtzeitigen Stellungnahme Einwendungen geltend zu machen, mit denen er ohne weiteren Aufwand ein Hauptsacheverfahren verhindern könnte, so ist seine spätere entsprechende Rechtsverteidigung als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig i.S.v. §§ 114 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG zu beurteilen.
2. Dies gilt insbesondere, wenn er materiell-rechtlich zu entsprechender Auskunft verpflichtet ist oder ihm gegenüber einer Inanspruchnahme eine Darlegungslast obliegt, deren Verletzung der Gesetzgeber - wie etwa in § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG oder § 93d ZPO a.F. - ausdrücklich im Rahmen der Kostenentscheidung sanktioniert.
Normenkette
ZPO § 114; FamFG § 113 Abs. 1, § 243 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 617 F 2613/10) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten; die beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder leben in der Obhut des Kindesvaters. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Antragsteller - nach vorherigem erfolglosen außergerichtlichen Auskunftsverlangen - im Wege eines Stufenantrages die Antragsgegnerin auf Kindesunterhalt in Anspruch; vor dem Hintergrund eines in einem im Jahre 2008 geführten Gewaltschutzverfahren ergangenen Beschlusses hat er seitdem keine näheren Kenntnisse über ihren Aufenthalt und ihre Verhältnisse.
Das AG hat der Antragsgegnerin das Gesuch des Antragstellers auf Bewilligung entsprechender Verfahrenskostenhilfe (VKH) zugeleitet und ihr unter Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach Ablauf dieser Frist sowie eines weiteren entsprechenden Zeitraumes hat das AG - wie aus Rechtsgründen geboten - dem Antragsteller VKH bewilligt und den Antrag förmlich zugestellt.
Lange nach Ablauf der gesetzten Stellungnahmefrist und nach Bewilligung von VKH für den Antragsteller hat sich die Antragsgegnerin über einen Verfahrensbevollmächtigten gegen ihre Inanspruchnahme verteidigt; dazu hat sie lediglich dargelegt, dass sie nach wie vor in einem Frauenhaus lebe, ALG II-Leistungen beziehe, derzeit in Integrationsmaßnahmen (Deutschkurs, Arbeitsmaßnahme) eingebunden sei und sich zudem noch in ärztlicher Behandlung befinde; sie ist zudem der Auffassung, dem Antragsteller seien diese Umstände auch bereits bekannt. Für die Verteidigung hat sie ihrerseits um VKH nachgesucht.
Das AG hat der Antragsgegnerin VKH wegen Mutwilligkeit versagt und dabei darauf abgestellt, dass eine selbst für die Verfahrenskostenhilfe aufkommende Beteiligte ihre Einwände bereits im Rahmen der vorgelagerten VKH-Prüfung vorgebracht und nicht erst das Entstehen der mit der Rechtshängigkeit zwangsläufig verbundenen Kosten abgewartet hätte.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die ihr VKH-Gesuch weiter verfolgt; das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Einzelrichter hat das Verfahren zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II. Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben.
1. In obergerichtlicher Rechtsprechung wie Literatur besteht keine Übereinstimmung, ob und unter welchen Voraussetzungen es als prozess- bzw. verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig i.S.v. §§ 114 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG zu beurteilen ist, wenn der Antragsgegner im VKH-Prüfungsverfahren von seiner Stellungnahmemöglichkeit nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO keinen Gebrauch macht und sich erstmals nach Rechtshängigkeit verteidigt und dafür seinerseits um VKH nachsucht.
So haben etwa die Auffassung vertreten, einem Beklagten, der zunächst zum PKH-Gesuch der Klägerseite nicht Stellung nehme, könne, wenn er nach Klagerhebung selbst PKH begehre, diese nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden, Entscheidungen des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 28.8.2001 - 5 WF 133/01 - FarmRZ 2001, 1132 f., Leitsatz) und OLG Schleswig (Beschl. v. 6.7.2005 - 15 WF 152/05 - FuR 2006, 142 - Leitsatz); nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg soll jedenfalls ein anwaltlich nicht vertretener Antragsgegner nicht mutwillig i.S.v. § 114 ZPO handeln, wenn er relevante Einwendungen erst mit der Klagerwiderung und nicht schon im Rahmen der Anhörung zu dem gegnerischen Gesuch um PKH-Bewilligung vorbringt (Beschl. v. 17.2.2009 - 13 WF 24/09, FamRZ 2009, 895 f., Leitsatz).
Demgegenüber ist nach einer vom OLG Brandenburg vertretenen Auffassung die spätere Rechtsverteidigung regelmäßig mutwillig i.S.d. § 114 ZPO, wenn die Partei zum PKH-Gesuch der Gegenseite erklärt hat, keine Erklärung abzugeben (Beschl. v. 5.4.2005 - 9 WF 79/05, FamRZ 2006, 349, Leitsatz). Für möglich halten die Mutwilligkeit bei Unterlassen der Geltendmachung bereits im gegnerischen PKH-Verfahren etwa Entscheidungen der OLG Düsseldorf (Beschl. v. 15.1.199...