Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen der Zulassung eines gewählten Verteidigers als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO
Leitsatz (amtlich)
Die Zulassung eines gewählten Verteidigers als Rechtsbeistand nach § 132 Abs. 2 StPO liegt im Ermessen des Gerichts. Sie setzt u.a. die Vertrauenswürdigkeit und persönliche Eignung des gewählten Verteidigers voraus. Hieran kann es fehlen, wenn dieser dem Gericht mehrere Vorstrafen sowie die Verbüßung von Strafhaft als Grund für die Abwesenheit in einem Hauptverhandlungstermin gegen den von ihm vertretenen Angeklagten verschweigt. Hat er zudem das für einen Rechtsbeistand mittelbar geltende Sachlichkeitsgebot nach § 43a Abs. 2 Satz 2 StPO durch wiederholte verbale Angriffe gegen Verfahrensbeteiligte jenseits der Grenze zur Schmähkritik verletzt, kommt seine Zulassung als Rechtsbeistand nicht in Betracht.
Normenkette
StPO § 43a Abs. 2 S. 2, § 132 Abs. 2, § 138 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Dannenberg |
LG Lüneburg |
Tenor
Die Beschwerden werden verworfen.
Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Das Amtsgericht Dannenberg hat die Angeklagte mit Strafbefehl vom 18.11.2008 wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anlässlich einer Demonstration vor dem Gelände des Atommüllzwischenlagers in G. am 29.07.2008 zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Hiergegen hat die Angeklagte Einspruch eingelegt.
In der Hauptverhandlung über den Einspruch hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.09.2010 den Beteiligten als Rechtsbeistand der Angeklagten nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassen. Mit Beschluss vom 13.12.2010 hat das Amtsgericht die Zulassung mit der Begründung zurückgenommen, der Beteiligte habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Angeklagten und des Beteiligten hat das Landgericht Lüneburg verworfen.
Das Amtsgericht hat die Angeklagte am 21.03.2011 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätze zu je 10 € verurteilt. Die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft haben gegen dieses Urteil jeweils Berufung eingelegt.
Die Angeklagte und der Beteiligte haben nunmehr beantragt, den Beteiligten erneut als Rechtsbeistand der Angeklagten zuzulassen. Die für das Berufungsverfahren der Angeklagten zuständige Strafkammer des Landgerichts Lüneburg hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Hiergegen wenden sich die Angeklagte und der Beteiligte mit ihren Beschwerden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerden als unbegründet zu verwerfen.
II. Die Beschwerden sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Antrag auf Zulassung des Beteiligten als Rechtsbeistand der Angeklagten zu Recht abgelehnt.
Die Zulassung eines gewählten Verteidigers als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO steht nach herrschender Meinung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 179; Laufhütte in Karlsruher Kommentar StPO, 6. Auflage, § 138 Rdnr. 7). Dabei sind im Einzelfall die Interessen des Beschuldigten oder Angeklagten an der Verteidigung durch eine Person seines Vertrauens mit den Erfordernissen der Rechtspflege abzuwägen. Das Gericht hat zu prüfen, ob einerseits die Belange des Beschuldigten oder Angeklagten die Zulassung des Gewählten als Rechtsbeistand rechtfertigen und andererseits Belange der Rechtspflege seiner Zulassung nicht entgegenstehen (OLG Koblenz, aaO.).
Strafrechtliche Vorbelastungen können durchgreifende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der gewählten Person rechtfertigen. Zwar schließt eine völlig unbedeutende Vorstrafe die Zulassung als Rechtsbeistand nach § 138 Abs. 2 StPO nicht von vornherein aus (vgl. OLG Hamburg, NJW 19555, 644); jedoch ist es unter Berücksichtigung der Belange der Strafjustiz etwa nicht hinnehmbar, eine Person, die zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt ist, in einem Verfahren wegen einer einschlägigen Verfehlung als Rechtsbeistand und damit als ein dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichgeordnetes Organ der Rechtspflege zuzulassen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1999, 586).
Die Vertrauenswürdigkeit des Gewählten und seine persönliche Eignung bemessen sich zudem mittelbar nach den für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften, zu denen u.a. auch das in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Sachlichkeitsgebot gehört. So bestehen nach der Rechtsprechung durchgreifende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des gewählten Verteidigers, wenn auf Grund seiner früheren unsachlichen Äußerungen von vornherein eindeutig absehbar ist, dass der Gewählte den für einen anwaltlichen Verteidiger geltenden Verhaltensregeln nicht entsprechen kann oder will (vgl. OLG Hamm NStZ 2007, 238; OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 179).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Kammer, die durch das Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft wird (vgl. OLG Hamm, aaO.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 138 Rdnr. 23, jeweils mwN) nicht zu beanstand...