Leitsatz (amtlich)

Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (vorschriftswidrige Abwesenheit einer notwendigen Person von der Hauptverhandlung) liegt nicht vor, wenn der Angeklagte als der Rechtsmittelführer der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt und die Strafkammer die Berufung deswegen nach § 329 Abs. 1 StPO verwirft.

Denn in diesem Fall wird weder zur Sache verhandelt noch werden irgendwelche Feststellungen zum Schuld oder Strafausspruch getroffen, sondern gerade wegen der Abwesenheit des Angeklagten lediglich die verfahrensrechtliche Frage geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO vorliegen (im Anschluss an OLG Stuttgart, NStZRR 2004, 338 und OLG Hamm, NJW 1970, 1245).

 

Normenkette

StPO § 338 Nr. 5, § 329 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Entscheidung vom 05.07.2011; Aktenzeichen 4 Ns 89/10)

AG Rinteln (Aktenzeichen 20 Ds 26/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 05.07.2011 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses, soweit sie die Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betrifft, aufgehoben wird.

2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist gegenstandslos.

3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 12.05.2011 wird als unzulässig verworfen.

4. Der Angeklagte hat die Kosten des Beschwerde und des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Rinteln hat den Angeklagten am 02.11.2010 wegen Diebstahls in 3 Fällen, dabei in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Betruges sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bückeburg am 12.05.2011 gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen, nachdem der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen war und sein Ausbleiben nicht hinreichend entschuldigt hatte. Das Verwerfungsurteil ist dem Angeklagten am 18.05.2011 und seinem beigeordneten Verteidiger am 19.05.2011 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 26.05.2011, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt und zugleich Revision eingelegt für den Fall der Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er - erstmalig - vorgetragen, er sei am 12.05.2011 reise und verhandlungsunfähig erkrankt gewesen und er habe deswegen zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen können. Zur Glaubhaftmachung hat er ein ärztliches Attest vom 20.05.2011 vorgelegt, in dem es heißt, der Angeklagte sei am 12.05.2011 ‚akut erkrankt und weder reisefähig noch in der Lage [gewesen] vor Gericht zu erscheinen‚.

Zur Begründung der Revision erhebt der Angeklagte zwei Verfahrensrügen sowie die allgemeine Sachrüge. Im Rahmen der Rüge der Verletzung formellen Rechts wird zunächst der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht und ausgeführt, die Hauptverhandlung sei in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt worden, obwohl dieser, belegt durch "jetzt vorgelegtes ärztliches Attest" am Hauptverhandlungstag reise und verhandlungsunfähig gewesen sei. Ferner wird die Verletzung der Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO beanstandet mit der Begründung, die Kammer habe zum Berufungshauptverhandlungstermin keine Zeugen geladen, obwohl die Berufung unbeschränkt eingelegt worden sei. Die Erwägungen, mit denen die allgemeine Sachrüge ausgeführt wird, erschöpfen sich in Angriffen gegen die Anwendung materiellen Rechts im amtsgerichtlichen Urteil.

Mit Beschluss vom 08.06.2011 hat das Landgericht Bückeburg den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen, weil der Angeklagte die Wiedereinsetzung nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Verwerfungsurteils an ihn beansprucht hatte (§ 329 Abs. 3 StPO).

Daraufhin hat der Angeklagte mit Schriftsatz vom 10.06.2011 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowohl gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren als auch gegen die - von ihm irrig angenommene - Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision.

Hierauf hat das Landgericht Bückeburg dem Angeklagten mit Beschluss vom 05.07.2011 - unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung erneut versagt. Es hat den entsprechenden Antrag nunmehr als unbegründet verworfen, weil der Angeklagte nich...

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