Normenkette
BGB § 252 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 22.10.2008; Aktenzeichen 1 O 249/08) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das LG zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 567 f. ZPO zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das LG, weil die Sache für eine abschließende Entscheidung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren noch nicht reif und weitere Aufklärung erforderlich ist.
1. Der Antragsteller will mit der beabsichtigten Klage Verdienstausfallansprüche in Form einer bis zum 31.12.2029 zu zahlenden Erwerbsminderungsrente von 2.500 EUR monatlich geltend machen. Er erlitt am 15.12.2005 durch einen Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Antragsgegnerin unstreitig zu 100 % einstandspflichtig ist, eine Fülle von Verletzungen, die ihn zunächst vollständig, anschließend zu 70 % und bis zum heutigen Tage zu 50 % in seiner Erwerbsfähigkeit minderten, soweit dies den ursprünglich ausgeübten und erlernten Beruf als Bäcker betrifft. Im Übrigen ist er in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkschutzfachkraft fortlaufend zu 70 % erwerbsgemindert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beträgt die Erwerbsminderung 20 %. In dem erlernten Beruf des Bäckers hat der zum Unfallzeitpunkt 36 Jahre alte Antragsteller von 1986 bis 1990 gearbeitet, im Anschluss war er bis zum 1.10.1998 als Werkschutzkraft tätig. In den folgenden 7 Jahren bis zum Unfall war er arbeitslos.
Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil der Vortrag des Antragstellers, er hätte ohne den Unfall jedenfalls ab dem 1.7.2008 wieder eine Arbeit bekommen, nicht die "notwendige Substanz" aufweise. Es seien dazu "nur rudimentäre äußere Tatsachen" vorgetragen. Unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage, der Dauerarbeitslosigkeit und der sehr langen Berufsferne sei die Annahme nicht begründet, dass der Antragstellers "heute wieder als Bäcker arbeiten (§ 252 S. 2 BGB i.V.m. § 287 ZPO) und mindestens 2.500 EUR verdienen würde".
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der unter Vorlage einer Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 30.8.2007 (Bl. 25 d.A.) vorträgt, er sei unverschuldet arbeitslos gewesen; er habe sich - wie bescheinigt - bis zum Unfalltag angemessen um Arbeit bemüht und dies auch der Agentur für Arbeit regelmäßig nachgewiesen. Da er im Unfallzeitpunkt lediglich 36 Jahre alt gewesen wäre, hätte das LG nicht davon ausgehen dürfen, dass er nie wieder einen Arbeitsplatz findet.
Der erkennende Einzelrichter der Kammer hat weiterhin die "notwendige Substanz" vermisst. Der Vortrag des Antragstellers, sich bis zum 15.12.2005 ausreichend um Arbeit bemüht zu haben, lege nahe, dass er auch ohne den Verkehrsunfall nicht wieder "in Lohn und Brot" stehen würde. Die Kammer hat deshalb mit Nichtabhilfebeschluss vom 18.12.2008 die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2. Der angefochtene Beschluss berücksichtigt nicht die Anforderungen der Rechtsprechung für die Wahrscheinlichkeitsprognose bei einkommenslosen (im Unfallzeitpunkt noch) jungen Menschen gem. § 252 Satz 2 BGB. Auch der Umfang der Darlegungslast für die Geltendmachung eines Erwerbsausfallschadens wird verkannt. Das LG hat die hierzu erforderliche Prüfung unterlassen. Die Frage, ob und inwieweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, ist damit zur Zeit noch nicht entscheidungsreif.
a) Der Einzelrichter hat unter Verstoß gegen seine materiell-rechtliche Prüfungspflicht lediglich den vom Antragsteller früher ausgeübten Beruf des Bäckers in seine Überlegungen einbezogen und anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten nicht hinreichend in Betracht gezogen, obwohl sich hier eine Prüfung geradezu aufdrängte. Der Antragsteller war im Unfallzeitpunkt 36 Jahre alt. Er hat - unstreitig - nur in den Jahren 1986 bis 1990 als Bäcker gearbeitet, in den anschließenden acht Jahren jedoch in einem anderen Beruf, der mit dem erlernten Bäckerberuf - soweit ersichtlich - in keinem Zusammenhang stand ("Werkschutz"). Der Antragsteller hat schon hierdurch gezeigt, dass er auch über die ursprünglich ausgeübte Tätigkeit als Bäcker hinaus arbeitswillig und arbeitsfähig war. Dass er in den 7 Jahren zwischen 1998 und 2005 arbeitslos war, ist angesichts des Alters des Antragstellers nicht derart gewichtig, dass ohne weitere Aufklärung angenommen werden kann, er hätte keine Arbeit mehr gefunden, und deshalb von vornherein jede Prozesskostenhilfe versagt werden kann. Denn bei einem Menschen in diesem noch relativ jungen Alter kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass er auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigk...