Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Reisekosten des Angeklagten bei Freispruch

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Anspruch des Freigesprochenen auf Ersatz seiner Reisekosten steht grundsätzlich nicht entgegen, dass er dem Gericht nicht unverzüglich angezeigt hat, dass er zum Hauptverhandlungstermin von einem anderen als dem in der Ladung angegebenen Ort anreist.

 

Normenkette

StPO §§ 464a, 464b; ZPO § 104; RPflG § 11; JVEG § 5 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 06.08.2012)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hannover vom 6. August 2012 aufgehoben, soweit damit der Kostenfestsetzungsantrag des Freigesprochenen vom 13. Februar 2012 abgelehnt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Hannover - Rechtspflegerin - zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Jugendkammer 3 des Landgerichts Hannover hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 15. Januar 2012 freigesprochen und die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Landeskasse auferlegt.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Februar 2012 die Festsetzung ihm zu erstattender Auslagen in Höhe von insgesamt 2.916,00 Euro, die ihm durch Fahrten mit seinem eigenen Kraftfahrzeug von J. zu den insgesamt 15 Hauptverhandlungsterminen in H. entstanden seien. Im weiteren Verfahren erläuterte der Beschwerdeführer mit Schreiben seines Verteidigers vom 6. Juli 2012, dass er seit dem Sommersemester 2011 in J. studiere und dort seinen angemeldeten Nebenwohnsitz habe.

Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu erstattenden Fahrtkosten setzte die Rechtspflegerin entsprechend einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Hannover mit Beschluss vom 6. August 2012 auf 187,50 Euro fest. Es handelt sich dabei um die Kosten, die bei Fahrten von dem Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers in B., wo er auch geladen worden ist, nach H. entstanden wären. Die Kosten für Fahrten von und nach J. seien entsprechend § 5 Abs. 5 JVEG nicht erstattungsfähig, weil der Beschwerdeführer dem Gericht nicht rechtzeitig angezeigt habe, dass er von einem anderen als dem in der Ladung angegebenen Ort anreise.

Gegen den seinem Verteidiger am 9. August 2012 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Freigesprochene mit am 14. August 2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Fahrkostenerstattung reduziert worden ist. Dass der Freigesprochene in J. studiere und wohnhaft sei, sei gegenüber dem Gericht im Rahmen der Angaben zu den persönlichen Verhältnissen erklärt worden.

Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Hannover hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

2. Für die zu treffende Entscheidung ist nach § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter des Strafsenats zuständig (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2009 - 1 Ws 488/09; ebenso OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, NStZ 2003, 324; OLG Hamm, Beschlüsse vom 21.12.2006 - 4 Ws 544/06 - und vom 17.04.2007 - 4 Ws 97/07 - juris; OLG Rostock, Beschluss vom 13.07.2009 - I Ws 192/09 RVG - juris; LR-Hilger, StPO 26. Aufl. § 464 b Rn. 9; KK-Gieg, StPO 6. Aufl. § 464 b Rn. 4).

3. Die sofortige Beschwerde hat auch (zumindest vorläufig) Erfolg.

a) Zu den erstattungsfähigen Auslagen des Freigesprochenen gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Fahrten zu den Verhandlungsterminen im eigenen Kraftfahrzeug (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 464a Rn. 15 m.w.N.). Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass §§ 5 und 6 JVEG insoweit entsprechend anzuwenden sind (Meyer-Goßner aaO.). Nach § 5 Abs. 5 JVEG hat ein Beteiligter, der dem Gericht nicht unverzüglich anzeigt, dass er zum Termin von einem anderen als dem in der Ladung angegebenen Ort anreist, grundsätzlich nur Anspruch auf Ersatz seiner Reisekosten in Höhe der notwendigen Fahrtkosten von dem in der Ladung angegebenen Ort. Der Behauptung, dass der Freigesprochene die Anreise aus J. hier rechtzeitig angezeigt habe, steht entgegen, dass im Protokoll der Hauptverhandlung als sein Wohnsitz nur der in B. angegeben ist.

b) Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn die Regelung in § 5 Abs. 5 JVEG gilt nicht ausnahmslos. Die unverzügliche Anzeige soll dem Gericht nur die Prüfung ermöglichen, ob es den Zeugen oder Sachverständigen zunächst abbestellen will (vgl. OLG Dresden JurBüro 1998, 269; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. JVEG § 5 Rn. 22). Hätte das Gericht die Ladung aber in jedem Fall aufrechterhalten, so sind dem Zeugen oder Sachverständigen die Mehrkosten der An- und/oder Rückreise von oder zu einem anderen als dem in der Ladung angegebenen Ort auch dann zu erstatten, wenn er die Anreise von dem anderen Ort versp...

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