Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwand doppelter Rechtshängigkeit nach Antrag auf Scheidungsfolgenregelung vor englischem Gericht
Leitsatz (amtlich)
Macht ein in Großbritannien unter Anwendung englischen Rechts geschiedener Ehegatte vor dem englischen Gericht der Ehesache einen Antrag auf Regelung der Scheidungsfolgen (ancillary relief) anhängig, steht der Zulässigkeit einer zeitlich nachfolgend in Deutschland erhobenen Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts jedenfalls dann der Einwand doppelter Rechtshängigkeit entgegen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte in England auf Regelungen zur finanziellen Versorgung (financial provision orders) in Form wiederkehrender Leistungen (periodical payment orders) angetragen hat.
Normenkette
Brüssel IVO (EuGVVO) Art. 27
Verfahrensgang
AG Celle (Beschluss vom 03.07.2008; Aktenzeichen 8 F 8123/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des AG - FamG - Celle vom 3.7.2008 abgeändert:
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach Erledigung des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren übersteigt nicht 1.500 EUR.
Gründe
I. Die Ehe der Klägerin (deutsche Staatsangehörige) und des Beklagten (britischer Staatsangehöriger) wurde in England durch Urteil des Salisbury County Court unter Anwendung englischen Sachrechts geschieden. Im Jahre 2005 machte die Klägerin bei dem englischen Gericht der Ehesache einen Antrag auf Regelung der Scheidungsfolgen (ancillary relief) anhängig.
Mit ihrer am 4.7.2006 erhobenen Klage begehrte sie in Deutschland vor dem AG die Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von dem Beklagten. Anfang 2008 schlossen die Parteien vor dem englischen Gericht eine Vereinbarung, wonach zur Abgeltung sämtlicher Scheidungsfolgen von dem Beklagten an die Klägerin ein Betrag i.H.v. 30.500 GBP zu zahlen sei. Danach erklärten die Parteien den in Deutschland rechtshängigen Unterhaltsrechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Das AG hat die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
II. Die gem. §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg. In Abänderung der angefochtenen Entscheidung waren die Kosten des ersten Rechtszuges der Klägerin aufzuerlegen.
1. In materiell-rechtlicher Hinsicht geht der Beklagte zurecht davon aus, dass auf die unterhaltsrechtliche Beziehung der Parteien kein deutsches Sachrecht anzuwenden war.
Das Unterhaltsstatut beurteilt sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73). Nach Art. 8 HUÜ 73 ist bei einer Ehescheidung, die in einem Vertragsstaat des HUÜ 73 ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen geschiedenen Ehegatten das Recht des tatsächlichen Scheidungsstatut maßgeblich. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, denn die von einem englischen Gericht ausgesprochene Ehescheidung wird in Deutschland ex lege nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Brüssel IIaVO) ohne ein besonderes Verfahren anerkannt. Das Unterhaltsstatut folgt daher dem das Scheidungsstatut beherrschenden englischen Recht, wobei es im Hinblick auf Art. 3 HUÜ 73 unbehelflich ist, dass Großbritannien selbst nicht zu den Vertragsstaaten des HUÜ 73 gehört. Der auch von Deutschland zugunsten des Heimatrechts erklärte Vorbehalt nach Art. 15 HUÜ 73 greift unter den obwaltenden Umständen nicht ein, weil der Beklagte kein deutscher Staatsangehöriger ist.
Inwieweit sich aus dem Vorstehenden Bedenken an der Schlüssigkeit der von der Klägerin erhobenen Klage auf nachehelichen Unterhalt ergeben und diese Bedenken die Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO beeinflussen könnten, bedarf indessen keiner näheren Erörterung. Denn das AG konnte es bereits nicht offen lassen, ob der auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt gerichteten Klage von vornherein der von Amts wegen zu berücksichtigende Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegenstand. Denn soweit dies der Fall ist, entspricht es grundsätzlich nicht der Billigkeit, diejenige Partei mit den Kosten zu belasten, die bei einer streitigen Entscheidung mit dem Einwand doppelter Rechtshängigkeit voraussichtlich durchgedrungen wäre (vgl. BAG Beschluss vom 19.4.1983 - 1 AZR 392/80 - veröffentlicht bei juris).
2. Im rechtlichen Ausgangspunkt hindert nach ständiger Rechtsprechung auch die - zeitlich früher eingetretene - Rechtshängigkeit einer Streitsache im Ausland das inländische Verfahren, wenn Identität des Streitgegenstandes vorliegt und mit der Anerkennung der vom ausländischen Gericht zu treffenden Entscheidung zu rechnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1985 -...