Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs: Umfang der Überprüfung des Schiedsspruchs auf Kartellverstöße
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist unzulässig, soweit er sich auf einen nicht abschließenden Zwischenschiedsspruch bezieht.
2. Der Schiedsspruch ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt auf Kartellverstöße als Verletzungen des ordre public hin zu überprüfen. Allerdings kommt eine Aufhebung des Schiedsspruchs regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die Auffassungen des Schiedsgerichts und des staatlichen Gerichts in gleicher Weise vertretbar sind.
Normenkette
ZPO § 1061 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 1063 Abs. 1, § 1064; AEUV Art. 101-102; GWB §§ 19-20
Tenor
1. Der Schiedsspruch der Schiedsrichter P. C., G. G. und H. G., C., vom 11.6.2015 wird für vollstreckbar erklärt, soweit die Antragsgegnerin verurteilt worden ist zur Zahlung
a) des Betrags von 15.504.968,89 EUR zuzüglich Zinsen auf Basis der gesetzlichen (xxxxxx) Zinsrate seit dem 24.10.2012 bezüglich der Hälfte dieses Betrags und seit dem 15.12.2012 bezüglich der anderen Hälfte dieses Betrags,
b) des Betrags von 16.472.124,94 EUR zuzüglich Zinsen auf Basis der gesetzlichen (xxxxxx) Zinsrate seit dem 1.10.2013 bezüglich der Hälfte dieses Betrags und seit dem 15.12.2013 bezüglich der anderen Hälfte dieses Betrags,
c) des Betrags von 17.784.192,41 EUR zuzüglich Zinsen auf Basis der gesetzlichen (xxxxxx) Zinsrate seit dem 1.10.2014 bezüglich der Hälfte dieses Betrags und seit dem 15.12.2014 bezüglich der anderen Hälfte dieses Betrags,
d) des Betrags von 14.219.178,08 EUR zuzüglich Zinsen auf Basis der gesetzlichen (xxxxxx) Zinsrate ab dem 11.6.2015,
e) des Betrags von 927.556,84 EUR zuzüglich Zinsen auf Basis der gesetzlichen (xxxxxx) Zinsrate seit dem 19.7.2013,
f) des Betrags von 50.470.444,17 EUR.
Im Übrigen wird der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin 10 % und die Antragsgegnerin 90 % zu tragen.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandwert des Verfahrens wird auf 30.000.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des xxxxxx -Schiedsgerichts mit Sitz in xxxxxx vom 11.6.2015 (Anlage ASt 2, in deutscher Übersetzung vorgelegt u.a. als Anlage ASt 3).
Die Parteien kooperierten seit 19xx bei der Züchtung von Zuckerrüben. Voraussetzung einer erfolgreichen Züchtungstätigkeit ist der Zugriff auf verschiedene Züchtungsmaterialien, die als Keimplasma bezeichnet werden. Umfangreiche Keimplasma-Pools befinden sich im Besitz weniger Züchtungsunternehmen sowie von Forschungsinstituten, u.a. Genbanken. Dritte haben auf diese fremden Keimplasma-Pools keinen uneingeschränkten freien Zugriff. Züchtungsmaterial ist zwar insbesondere bei den genannten Genbanken erhältlich, bedarf jedoch vor der Verwertungsreife einer langjährigen Verbesserung von mindestens 8 bis 10 Jahren. Sogenanntes Elitesaatgut, das unmittelbar zur Herstellung von zertifiziertem Saatgut zum Weiterverkauf an Landwirte verwendet werden kann, wird nur von wenigen Züchtungsunternehmen entweder gegen anderes Elitematerial mit bestimmten Merkmalen oder andere geeignete Vermögensgegenstände, u.a. Züchtungstechnologie, im Austausch angeboten. Darüber hinaus können Unternehmen gezüchtetes, zertifiziertes Saatgut gegen Zahlung von Lizenzgebühren von Züchtern erhalten, um dieses zu vermehren, zu verarbeiten und schließlich kommerziell zu vermarkten.
Die Antragstellerin ist ein xxxxxxx Unternehmen, das Zuckerrübensorten züchtet sowie Zuckerrübensaatgut produziert und vertreibt. Sie ist aus einer Reihe von Zusammenschlüssen entstanden; im Folgenden werden auch ihre Rechtsvorgängerinnen jeweils als "Antragstellerin" bezeichnet.
Die Antragsgegnerin ist ebenfalls u.a. im Bereich der Zuckerrübenzucht und der Vermarktung von Zuckerrübensaatgut tätig. Das Geschäft mit Zuckerrübensaatgut macht heute 90 % ihres gesamten Umsatzes aus; ihr Geschäftsbetrieb ist ohne das Zuckerrübengeschäft nicht fortzuführen. Die Antragsgegnerin war ursprünglich auf dem Gebiet xxxxxx ansässig. Infolge eines Umzugs xxxxxx verlor sie nahezu ihr gesamtes Züchtungsmaterial und Technologie. Bereits 19xx begann sie, mit der Antragstellerin zusammenzuarbeiten. Im Jahre 19xx schlossen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit, nach der die Antragsgegnerin Zugang zum Keimplasma der Antragstellerin erhielt und sich im Gegenzug verpflichtete, von dieser eine bestimmte Menge Saatgut zu kaufen.
Im Jahr 19xx schlossen die Parteien einen geänderten Kooperationsvertrag (Anlage AG 13). Nach dessen Art. 1.1.1 war die Antragstellerin verantwortlich für die Entwicklung allen Basismaterials für das Zusammenarbeitsprogramm der Parteien. Nach Art. 1.1.2 stellte sie das gesamte Keimplasma der Antragsgegnerin zur Verfügung. Nach Art. 1.1.3 sollte das gezüchtete Material im Eigentum der Antragstelleri...