Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitverkündung ggü. gerichtlichem Sachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

Das Gericht hat den Streitverkündungsschriftsatz dem Betroffenen grundsätzlich ohne Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung zuzustellen.

Dies gilt nicht, wenn die Streitverkündung ggü. dem im Rechtsstreit tätigen Sachverständigen in der Absicht einer rechtsmissbräuchlichen Einflussnahme auf die Gutachtertätigkeit erfolgt.

Gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag des Sachverständigen, die Zustellung der Streitverkündungsschrift für unzulässig zu erklären, zurückgewiesen wird, steht ihm das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.

 

Normenkette

ZPO §§ 72, 567 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 839a

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Beschluss vom 20.09.2005; Aktenzeichen 11 O 106/01)

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen H. gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hildesheim vom 20.9.2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.200 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Minderung bzw. Schadensersatz aus einem Bauvertrag der Parteien vom 6./27.6.1995 mit der Behauptung, die von der Beklagten durchgeführten Fliesenarbeiten seien in erheblichem Umfang mangelhaft.

Die Beklagte hat bestritten, fehlerhaft gearbeitet zu haben.

Daraufhin hat das LG durch Beschl. v. 12.7.2002 (Bl. 506 ff. Bd. III d.A.) die Beweiserhebung zu den Behauptungen der Klägerin angeordnet,

a) die in dem Bauvorhaben K. M. e.G. R. an dem keramischen Bodenbelag aufgetretenen Schäden beruhten auf folgenden von der Beklagten zu vertretenden Mängeln:

aa) Wegen fehlerhaften Fußbodenaufbaues komme es zu inneren Spannungen, durch die es immer wieder zu Beschädigungen der Oberfläche und zu Undichtigkeiten komme,

bb) es fehle eine durchgängige Dehnungsfuge,

cc) durch das gewählte Rüttelverfahren habe der Verlegemörtel nicht gegen Milchsäure geschützt werden können.

b) Die Mängel seien insb. nicht auf eine zu frühe Belastung des Bodens, auf den Einsatz heißer Reinigungsmittel, auf eine dynamische Stoß- und Schlagbeanspruchung im Rahmen des Produktionsbetriebes oder auf den unterbliebenen Einbau von Sechseckplatten und von Edelstahl-Entwässerungsschienen zurückzuführen. Zum Sachverständigen wurde der Beschwerdeführer bestimmt, der mit seinem Gutachten vom 30.6.2004 zu den Beweisfragen Stellung nahm.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 6.12.2004 (Bl. 657 ff. Bd. IV d.A.) auf insgesamt 60 Seiten Einwendungen erhoben, u.a., der Sachverständige habe Unterlagen verwendet, deren Herkunft unklar sei und dementsprechend seinen gutachterlichen Äußerungen Annahmen zugrunde gelegt, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprächen.

Mit Schriftsatz vom 27.7.2005 hat die Klägerin dem Sachverständigen den Streit verkündet. Das von ihm erstattete Gutachten sei in grob fahrlässiger Weise fehlerhaft. Sie müsse damit rechnen, als unmittelbare Folge dieser Fehler den Prozess zu verlieren. Die Haftung des Sachverständigen ergebe sich aus § 839a BGB.

Aufgrund der Verfügung des Kammervorsitzenden vom 28.7.2005 (Bl. 761 Bd. IV d.A.) ist dem Sachverständigen der Streitverkündungsschriftsatz zugestellt worden. Hiergegen hat sich der Sachverständige mit Schreiben vom 14.9.2005 (Bl. 764 f. Bd. IV d.A.) gewandt und erklärt, das eventuell insoweit in Betracht kommende Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zur Zeit nicht einlegen zu wollen. Er hat jedoch beantragt, die Zustellung der Streitverkündung an ihn für unwirksam zu erklären.

Dies hat das LG durch Beschl. v. 20.9.2005 (Bl. 766 Bd. IV d.A.) abgelehnt.

Gegen diesen dem Sachverständigen am 23.9.2005 zugestellten Beschluss richtet sich seine sofortige Beschwerde. Er hält die Streitverkündung für unzulässig, insb. rechtsmissbräuchlich. Ein Sachverständiger sei im Übrigen auch nicht Dritter im Sinne der Streitverkündungsvorschriften. Zudem habe das Gericht ggü. einem Sachverständigen Schutzpflichten, zu denen es u.a. gehöre, ihm nicht eine unzulässige Streitverkündungsschrift zuzustellen.

Die Klägerin hält die Streitverkündung für zulässig, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des LG hingegen für unzulässig.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde des Sachverständigen ist zulässig gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO, denn sie richtet sich nicht gegen die Zustellung der Streitverkündungsschrift selbst, sondern gegen den Beschluss des LG vom 20.9.2005, mit dem ohne mündliche Verhandlung ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (BGH, Beschl. v. 10.2.2005 - VII 22/04).

Das Rechtsmittel ist auch fristgerecht eingelegt worden.

2. Der Sachverständige beanstandet jedoch zu Unrecht die Zulässigkeit der Zustellung der Streitverkündungsschrift an ihn.

a) Von dem Beschwerdeführer wird u.a. darauf verwiesen, die ihm ggü. erfolgte Streitverkündung sei schon deshalb unzulässig, weil er in dem Verfahren als gerichtlich beauftragter Sachverständiger tätig und deshalb kein Dritter i.S.d. § 72 ZPO sei (BGH, Beschl. v. 10.2.2005 - VI...

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