Leitsatz (amtlich)
Eine sofortige Beschwerde, mit der sich ein gerichtlicher Sachverständiger unmittelbar gegen die Zustellung einer ihm ggü. erfolgten Streitverkündungsschrift einer Prozesspartei wendet, ist unzulässig.
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 4 OH 10/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Sachverständigen S. gegen die Zustellung der Streitverkündungsschrift der Antragsgegnerin vom 13.6.2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 1.200 EUR.
Gründe
I. Im selbständigen Beweisverfahren hat das LG ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen S. eingeholt. Mit Schriftsatz vom 13.6.2005 hat die Antragsgegnerin beantragt, dass sich der Sachverständige ergänzend zu vorformulierten Fragen äußert. Zugleich hat die Antragsgegnerin dem Sachverständigen den Streit verkündet mit der Aufforderung, auf ihrer Seite dem Verfahren beizutreten. Der Streitverkündungsschriftsatz ist dem Sachverständigen am 17.6.2005 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 28.6.2005 hat der Sachverständige S. Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Zustellung rückgängig zu machen oder zu widerrufen, hilfsweise für unwirksam zu erklären. Das LG, welches der Beschwerde durch Beschl. v. 11.7.2005 nicht abgeholfen hat, hat sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde des Sachverständigen S. ist als unzulässig zu verwerfen gewesen.
1. Die Beschwerde ist nicht nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft. Nach dieser Vorschrift findet die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtzug ergan-genen Entscheidungen der AG und LG statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zwar ist die Verweigerung der Zustellung einer Streitverkündungsschrift, die gem. § 73 ZPO von Amts wegen zu erfolgen hat, mit der Beschwerde anfechtbar. Denn die Ablehnung einer von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung steht der Zurückweisung eines Verfahrensgesuchs gleich (vgl. OLG Frankfurt BauR 2001, 677 [678]). Dies gilt aber nicht für den umgekehrten Fall. Es fehlt an einem Verfahrensgesuch, welches nicht darin gesehen werden kann, dass die Zustellung dem mutmaßlichen Willen des Zustellungsempfängers widerspricht. Denn der bloße Widerspruch gegen einen Antrag des Gegners ist kein das Verfahren betreffendes Gesuch i.S.d. § 567 ZPO, selbst dann nicht, wenn die Form eines Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung gewählt wird (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 60. Aufl., zu § 567 Rz. 4, m.w.N.).
2. Die Beschwerde des Streitverkündeten ist nicht in analoger Anwendung des § 71 Abs. 2 ZPO zulässig. Ist ein Dritter gem. § 70 ZPO oder nach erfolgter Streitverkündung dem Rechtsstreit beigetreten, hat nach § 71 ZPO auf Antrag einer am Prozess beteiligten Person ein Zwischenurteil über die Zulassung oder Zurückweisung des Beitritts zu ergehen, welches mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. Da die Regelung in § 71 ZPO aus-schließlich darauf abzielt, im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Verfahrens und damit im Interesse der Parteien des Rechtsstreits Klarheit zu schaffen, ob der Dritter aufgrund seines Beitritts am Prozess zu beteiligen ist, verbietet sich eine analoge Anwendung des § 71 ZPO für den Fall, in dem der Dritte, dem der Streit verkündet worden ist, das Vorliegen der Voraussetzungen der Streitverkündung geklärt haben möchte. Die ZPO bürdet vielmehr die Ungewissheit über die Wirksamkeit der Streitverkündung dem Dritten als Streitverkündungsempfänger auf (vgl. Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., zu § 72 Rz. 17). Dem Dritten steht deshalb kein Rechtsbehelf ggü. der Streitverkündung zu; ihm bleibt lediglich die Möglichkeit, dem Verfahren beizutreten oder seine Rechte ggf. im Folgeprozess geltend zu machen (vgl. MünchKomm/ZPO, zu § 72 Rz. 21).
3. Die Beschwerde des Streitverkündeten ist schließlich nicht als außerordentliche Beschwerde statthaft.
Nach allgemeiner Ansicht ist eine an sich nicht eröffnete Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" als außerordentliche Beschwerde zuzulassen, wenn sich die Entscheidung des Ausgangsgerichts als grob fehlerhaft erweist (Zöller, ZPO, 23. Aufl., zu § 567 Rz. 18 ff.; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 60. Aufl., zu § 567 Rz. 6 ff.). Vorliegend stellt sich die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Sachverständigen indes nicht als greifbar gesetzeswidrig dar.
Von dem Streitverkündeten wird in seiner Beschwerdeschrift darauf hingewiesen, dass die ihm ggü. erfolgte Streitverkündung unzulässig sei, weil er in dem Verfahren als gerichtlich beauftragter Sachverständiger tätig sei und er deshalb kein Dritter i.S.d. § 72 ZPO sei. Es spricht einiges dafür, dass dieser Einwand zutreffend ist (so auch: Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., 2005, § 72 Rz. 1). Aus der bloßen Unzulässigkeit einer Streitverkündung folgt aber nicht, dass das Gericht die Zustellung des Sch...