Leitsatz (amtlich)

Ein Sachverständiger kann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er die antragstellende Partei in einem selbstständigen Beweisverfahren mehrfach und nachdrücklich dazu zu bewegen versucht, nicht die von der Antragstellerin gewünschte Feststellung der Mängel vorzunehmen, sondern sogleich die Mängelbeseitigung durch die streitverkündeten Bauunternehmen zuzulassen.

 

Normenkette

ZPO § 406

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 05.04.2007; Aktenzeichen OH 8/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Hannover vom 5.4.2007 abgeändert.

Die Ablehnung des Sachverständigen W. wegen der Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin betreibt ein selbständiges Beweisverfahren mit dem Ziel der Begutachtung von angeblichen Mängeln eines Bauobjektes. Antragsgegner ist ihr Architekt, Streitverkündete sowie Nebenintervenienten sind die bauausführenden Unternehmen. Mit der Begutachtung ist durch Beschluss vom 9.10.2006 der Sachverständige Dipl.-Ing. W. beauftragt worden.

Mit bei Gericht am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 26.2.2007 hat die Antragstellerin beantragt, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ihre Besorgnis hat sie im Wesentlichen mit dem Inhalt zweier Telefongespräche begründet, die der Sachverständige mit ihrem Prozessbevollmächtigten sowie mit einem ihrer Mitarbeiter geführt habe. Zunächst habe der Sachverständige anlässlich eines Telefongesprächs mit einem ihrer Mitarbeiter am 13.2.2007 zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Auffassung die Mängelbeseitigung im Vordergrund zu stehen habe und die juristischen Aspekte später geklärt werden sollten. Insoweit habe der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Streitverkündeten und Nebenintervenienten derzeit noch Kapazitäten hätten, die Mängel zeitnah abzustellen. Am 15.2.2007 habe der Sachverständige dann telefonisch Kontakt mit ihrem Prozessbevollmächtigten aufgenommen. In dem Gespräch habe der Sachverständige zunächst darauf hingewiesen, dass er die gem. seinem Gutachtenauftrag zu treffenden Feststellungen nur im Rahmen einer zeitgleichen Durchführung der Mängelbeseitigung treffen könne. Der Sachverständige habe erklärt, dass das Beweisverfahren doch der Mängelbeseitigung diene und diese auch im Interesse der Antragstellerin liege. Nachdem ihr Prozessbevollmächtigter den Sachverständigen darauf hingewiesen habe, dass das Interesse der Antragstellerin in erster Linie sei, gerichtsverwertbare Feststellungen über den derzeitigen Zustand des Objektes und die Ursachen der Mängel zu erhalten, habe der Sachverständige ein weiteres Mal betont, dass aus seiner Sicht eine mit der Begutachtung zeitgleiche Mängelbeseitigung erforderlich sei. Nachdem ihr Prozessbevollmächtigter den Sachverständigen darauf hingewiesen habe, dass es der Antragstellerin frei stehe, eine Mängelbeseitigung nicht mit den betroffenen Werkunternehmern durchzuführen, sondern die Möglichkeit habe, den Antragsgegner auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen und anschließend Drittfirmen mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen, habe der Sachverständige erwidert, dass die beteiligten Streitverkündeten dann von dem Haftpflichtversicherer des Antragsgegners in Anspruch genommen werden würden. Hierdurch würden für diese erhebliche Nachteile entstehen und diese ggf. in die Insolvenz treiben. Dies gelte es aber zu verhindern, weshalb er die sofortige Mängelbeseitigung für erforderlich halte. Dies müsse seiner Ansicht nach ein öffentlicher Auftraggeber wie die Antragstellerin auch berücksichtigen. Nachdem ihr Prozessbevollmächtigter erkennen lassen habe, dass er gleichwohl die von dem Sachverständigen präferierte sofortige Einleitung der Mängelbeseitigung nicht befürworten könne, habe der Sachverständige verärgert reagiert und das Telefongespräch kurz angebunden beendet.

Ferner hat die Antragstellerin ihren Ablehnungsantrag darauf gestützt, dass der Sachverständige anlässlich eines Ortstermins am 13.12.2006 den Geschäftsführer einer der Streitverkündeten geduzt habe. Zudem habe dieser Geschäftsführer einem ihrer Mitarbeiter am 23.2.2007 telefonisch mitgeteilt, die von seinem Unternehmen zu vertretenen Mängel demnächst beseitigen und zur Dokumentation seiner Mängelbeseitigung den Sachverständigen W. beauftragen zu wollen.

Der Sachverständige hat im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe mit Schreiben vom 7.2.2007 eine Stellungnahme zu den Akten gereicht. Das LG hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 5.4.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.4.2007 nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. §§ 567 Abs. 1, 406 Abs. 5 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 569 ZPO) sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch ...

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