Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafprozess: Abtrennung von Verfahrensteilen im Eröffnungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung ergänzender Beweiserhebungen im Zwischenverfahren ist auch dann nicht mit der sofortigen Beschwerde nach § 210 Abs. 2 StPO anfechtbar, wenn das Gericht zugleich die Abtrennung der davon betroffenen Anklagevorwürfe beschlossen hat; die Staatsanwaltschaft kann lediglich die Abtrennung als solche mit der Beschwerde nach § 304 StPO anfechten.
2. Zwar muss die Entscheidung im Eröffnungsverfahren den Anklagestoff erschöpfend und gleichzeitig behandeln; das Gericht kann jedoch zeitlich getrennte Entscheidungen treffen, indem es bei der ersten Entscheidung einen Trennungsbeschluss nach § 2 Abs. 2 StPO erlässt.
Normenkette
StPO § 2 Abs. 2, §§ 202, 210 Abs. 2, § 304
Tenor
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten der Beschwerde und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit Anklageschrift vom 29. November 2011 legt die Staatsanwaltschaft Hannover dem Angeschuldigten Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 94 Fällen, Insolvenzverschleppung in sechs Fällen, Bankrott in sieben Fällen und Betrug in sieben Fällen zur Last.
Durch Beschluss vom 24. April 2013 hat die 4. große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hildesheim das Verfahren hinsichtlich der angeklagten 94 Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt abgetrennt und insoweit ergänzende Beweiserhebungen nach § 202 Satz 1 StPO angeordnet, um aufzuklären, ob den vom Angeschuldigten geleiteten Gesellschaften die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Anklagezeitraum überhaupt noch möglich war. Hinsichtlich der übrigen Anklagevorwürfe hat die Wirtschaftsstrafkammer die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren vor sich eröffnet. Zugleich hat die Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer den Beginn der Hauptverhandlung auf den 24. Mai 2013 bestimmt mit 11 Fortsetzungsterminen bis zum 10. Juli 2013 und darüber hinaus - falls erforderlich - weiteren Fortsetzungsterminen jeweils montags und mittwochs sowie die Ladung von 18 Zeugen angeordnet.
Gegen die Abtrennung hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 3. Mai 2013 sofortige Beschwerde erhoben. Sie meint, die Abtrennung sei wie eine teilweise Nichteröffnung zu behandeln und daher nach § 210 Abs. 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. In der Sache verkenne die Wirtschaftsstrafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Straflosigkeit der Beitragsvorenthaltung bei wirtschaftlicher Unmöglichkeit.
Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Sie beantragt die Eröffnung des Hauptverfahrens auch hinsichtlich der abgetrennten Anklagevorwürfe, hilfsweise die Aufhebung der Abtrennung.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 300 StPO als einfache Beschwerde (§ 304 StPO) zu behandeln, weil die sofortige Beschwerde nach § 210 Abs. 2 StPO hier nicht statthaft ist.
a) Gemäß § 210 Abs. 2 StPO steht der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens die sofortige Beschwerde nur zu, wenn das Gericht - ganz oder zum Teil - die Eröffnung abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen hat. Vorliegend ist weder eine (Teil)Ablehnung der Eröffnung noch eine (Teil)Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung erfolgt.
Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht etwa einer Teilablehnung der Eröffnung gleichzustellen. Die Wirtschaftsstrafkammer hat hinsichtlich der Anklagevorwürfe des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gerade keine Entscheidung über die Eröffnung getroffen, sondern - zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung - gemäß § 202 Satz 1 StPO ergänzende Beweiserhebungen angeordnet. Diese Anordnung ist nach § 202 Satz 2 StPO nicht anfechtbar. Sie wird auch nicht dadurch mit der sofortigen Beschwerde nach § 210 Abs. 2 StPO anfechtbar, dass zugleich die Abtrennung dieser Anklagevorwürfe angeordnet worden ist.
Selbst wenn man der Generalstaatsanwaltschaft darin folgen würde, dass es hier an einer gleichzeitigen und erschöpfenden Behandlung des gesamten Anklagestoffs im Eröffnungsverfahren fehlt, wäre nur die einfache Beschwerde nach § 304 StPO mit dem Ziel der Ergänzung des Beschlusses zulässig (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 210 Rn. 4). Eine Überprüfung der Anordnung ergänzender Beweiserhebungen oder gar Ersetzung der fehlenden Eröffnungsentscheidung durch das Beschwerdegericht könnte damit in keinem Fall erreicht werden. Denn § 210 Abs. 2 StPO ist als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen (vgl. OLG Hamburg wistra 2003, 38). Dies ergibt sich daraus, dass die positive Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 207 StPO für den Angeklagten unanfechtbar ist (§ 210 Abs. 1 StPO), weil sie nur eine vorläufige Bewertung darstellt, die der Überprüfung in der Hauptverhandlung und i...