Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlesung von polizeilichen Ermittlungsberichten
Leitsatz (amtlich)
Die Zulässigkeit der Verlesung von Protokollen und Vermerken der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist nicht von vornherein auf Routinevorgänge beschränkt; eine Beschränkung erfährt sie nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, deren Verletzung nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden kann.
Normenkette
StPO § 244 Abs. 2, §§ 250, 256 Abs. 1 Nr. 5, § 344 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Stade (Entscheidung vom 20.02.2013) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 20. Februar 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das freisprechende Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und den Angeklagten wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 2 StGB) durch Anbringen von schwarzen Schriftzügen auf Bildern in einer Gaststättentoilette zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 13 € verurteilt.
Die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten verwirft der Senat gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.
Ergänzend zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft und im Hinblick auf die Gegenerklärung des Beschwerdeführers ist lediglich noch Folgendes auszuführen:
1. Die Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) greift nicht durch.
a) Die Grundlagen für die Ermittlung der Originalstrichbreite sind bereits durch die Inaugenscheinnahme der Monolichtbilder und Planzeichnungen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Diese waren taugliche Objekte des Augenscheins. Es handelt sich nicht um Skizzen, die die subjektiven Wahrnehmungen einer Person wiedergeben, sondern um die Produkte eines technischen Auswertungsprozesses anderer Lichtbilder, die wiederum einen objektiven Ausschnitt der Realität festhalten und daher nicht dem Vorrang des Personalbeweises nach § 250 StPO unterliegen (vgl. BGH GA 1968, 305; LR-Sander/Cirener StPO § 250 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl. § 250 Rn. 2).
b) Außerdem ergeben sich die notwendigen Informationen über die Herstellung dieser Abbildungen aus dem Vermerk des POK K. vom 25. Oktober 2012, der in der Hauptverhandlung verlesen worden ist. Soweit die Revision die Unzulässigkeit der Verlesung rügt, ist die Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn die Revision teilt nicht mit, ob POK K. in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist. Dieser Vortrag war erforderlich, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob durch die Verlesung die Vernehmung des Zeugen nur ergänzt oder im Sinne des § 250 Satz 2 StPO ersetzt worden ist (vgl. BGH StraFo 2009, 152; NStZ 1995, 609; Meyer-Goßner § 250 Rn. 12). Der Darlegungsmangel ist auch nicht dadurch geheilt, dass der Zeuge in den Urteilgründen nicht erwähnt worden ist. Denn in den Urteilsgründen muss nicht jede Beweiserhebung lückenlos dokumentiert und stets in allen Einzelheiten dargelegt werden, auf welche Weise das Gericht zu bestimmten Feststellungen gelangt ist (vgl. nur Meyer-Goßner § 267 Rn. 12 m. w. N.); aus der Nichterwähnung eines Beweismittels im Urteil kann also nicht geschlossen werden, dass es nicht herangezogen worden ist. Schließlich finden auch die Vermerke, deren Verlesung die Revision gerügt hat, im Urteil keine Erwähnung.
c) Abgesehen davon war jedenfalls die Verlesung des Vermerks des POK K. vom 25. Oktober 2012 nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO zulässig, weil er eine Erklärung über Ermittlungshandlungen der Polizei enthält und keine Vernehmung zum Gegenstand hat. Soweit die Revision meint, dass die Verlesung des Vermerks unzulässig war, weil er keinen Routinevorgang betreffe, kann ihr nicht gefolgt werden. Eine derartige Beschränkung der Verlesungsmöglichkeit kann weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien entnommen werden. Zwar ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Regelung in erster Linie "Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durchführung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen etc." im Blick hatte (vgl. BT-Drucks. 15/1508 S. 26). Weiter heißt es dort aber auch, dass der Polizeibeamte "bei den meist routinemäßig erstellten Protokollen" (Hervorhebung d. d. Senat) ohnehin nicht mehr bekunden könne als das, was bereits schriftlich festgelegt sei (BT-Drucks. aaO.). Diese Formulierung zeigt, dass die Vorschrift auch nicht routinemäßig erstellte Protokolle und Vermerke erfasst. Mit Ausnahme von Vernehmungen erlaubt das Gesetz also grundsätzlich die Verlesung aller Protokolle und Vermerke über polizeiliche Ermittlungshandlungen (vgl. BGH NStZ 2008, 529; Meyer-Goßner § 256 Rn. 26; Pauly/Folkert-Hösser in Ratke/Hohmann StPO § 256 Rn. 19). Eine Beschränkung erfährt die Verlesungsmöglichkeit nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 A...