Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aktenversendungspauschale für justizinterne Personal- und Sachkosten
Leitsatz (amtlich)
Fallen für die Versendung von Akten keine Auslagen an Dritte, sondern nur justizintern Personal- und Sachkosten an, ist der Ansatz der Pauschale nach Nr. 9003 KV GKG nicht gerechtfertigt.
Normenkette
GKG Nr. 9003 KV
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 20.01.2016; Aktenzeichen 1 O 38/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin vom 29.1.2016 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 20.1.2016 aufgehoben.
Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 23.11.2016 gegen den Ansatz der Aktenversendungspauschale gemäß Nr. 9003 KV-GKG wird die Kostenrechnung der Geschäftsstelle der ersten Zivilkammer des LG Lüneburg vom 17.11.2015 aufgehoben.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Gründe
I. Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zulässig, weil das LG sie in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich zugelassen hat. Der Umstand, dass das LG die Beschwerde zugelassen hat, ohne die Voraussetzungen der Zulassung zu prüfen, die offensichtlich gar nicht vorgelegen haben, ändert hieran nichts.
Das LG hat die Beschwerde zugelassen, "weil die Kammer von der Entscheidung des OLG Koblenz, JurBüro 2014, 379 ff. abweicht." Nach der ausdrücklichen Regelung in § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG ist der Umstand, dass von der Ansicht eines anderen höheren Gerichts abgewichen werden soll, kein Grund, die Beschwerde zuzulassen. Vielmehr ist die Zulassung nur dann möglich, wenn sie "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage" geboten erscheint. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH NJW 2003, 1943, 1944; BGHR ZPO (1.1.2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 "Bedeutung, grundsätzliche" 1). Eine Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage (in Rechtsprechung und Literatur) tatsächlich umstritten ist (vgl. BGH, a.a.O.).
Im Streitfall fehlt es ersichtlich bereits an der Klärungsbedürftigkeit. Denn offene Rechtsfragen für Sachverhalte, die nach dem nach In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) am 1.8.2013 entstanden sind, gibt es im Hinblick auf die hier streitbefangene Aktenversendungspauschale gemäß Nr. 9003 KV-GKG ersichtlich nicht mehr. Nach gefestigter und einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung fällt die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht an, wenn die Akten zur Gewährung von Akteneinsicht mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.11.2015, 2 Ausl AR 16/15; OLG Köln, Beschluss vom 23.1.2015, 14 WF 163/14, NJW-RR 2015, 1342; OLG Köln 2. Strafsenat, Beschluss vom 16.10.2014, 2 Ws 601/14, StraFo 2015, 40; OLG OLG Koblenz, Beschluss vom 20.3.2014 - 2 Ws 134/14 -, JurBüro 2014, 379; vgl. auch Burhoff, StRR 2015, 479). Hingegen fällt die Gebühr dann an, wenn die Aktenversendung mit einem privaten externen Dienstleister oder einem externen Postdienstleister erfolgt (vgl. Oberlandesgerichts Saarbrücken, Beschluss vom 14.10.2015, 1 Ws 164/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.8.2015, 4 Ws 117/15, AGS 2015, 572; OLG Bamberg, Beschluss vom 05.3.2015 - 1 Ws 87/15 -, AGS 2015, 278; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.10.2015, 1 Ws 164/15, JurBüro 2016, 31; OLG Köln 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.7.2015, 2 Ws 394/15). Entscheidungen, in denen eine andere Auffassung vertreten würde, sind nicht bekannt, jedenfalls nicht veröffentlicht. Da die im Zusammenhang mit der Neuregelung der Nr. 9003 KV-GKG anfallenden Rechtsfragen damit offensichtlich geklärt sind, hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Ein Grund für die Zulassung bestand mithin nicht.
II. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Streitfall kann die Landeskasse die Versendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht geltend machen. Sie hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen der Nr. 9003 KV-GKG vorliegen, also "bare Auslagen" für Transport- und Verpackungskosten angefallen sind.
Nach der vor dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.7.2013 geltenden Ziffer 9003 KV-GKG a.F. wurde die Pauschale "für die Versendung von Akten auf Antrag" erhoben. Entsprechend dieser weiten Fassung war, wie der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 30.11.2015 mit Recht dargelegt hat, streitig, ob mit der Pauschale lediglich bare Sachaufwendungen der Justiz für Transport und Verpackung abgegolten werden sollte, oder ob auch der im Rahmen der Aktenversendung entstehende Serviceaufwand der ...