Leitsatz (amtlich)
Die Berufung auf ein standardisiertes Messverfahren objektiviert eine Geschwindigkeitsüberschreitung nur dann ohne weiteres mit der Folge, dass mit der Begründung ein Beweisantrag des Betroffenen als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich abgelehnt werden kann, wenn im Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung dargetan werden
Verfahrensgang
AG Neustadt (Entscheidung vom 23.02.2009) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird Zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 170,00 EUR verurteilt. Zudem hat es ein Fahrverbot von einem Monat verhängt,
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 16. September 2007 gegen 1.14 Uhr die Bundesstraße 6, Richtung Nienburg, mit seinem Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX, und überschritt dabei die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Abzug der Messtoleranz von 3% um 44 km/h. Die Messung wurde aus einer Entfernung von 262,65 m mit einem Laser-Geschwindigkeitsmessgerät der Marke Riegl vom Typ LR 90-235F' vorgenommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat Erfolg.
Auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge war das angefochtene Urteil aufzuheben Der Betroffene hat mit seiner Verfahrensrüge geltend gemacht, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag zu Unrecht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, mit dem der Verteidiger des Betroffenen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache verlangt hatte, dass die Messung fehlerhaft war.
1.
Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Verteidiger stellte für den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 23. Februar 2009 folgenden Beweisantrag:
"Ich beantrage die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es sich
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine ordnungsgemäße Justierung der Visiereinrichtung nicht stattgefunden habe, Der Zeuge J. habe in der Hauptverhandlung bekundet, dass er die Justierung vorgenommen habe, ohne sich an die Justierung am Vorfalltag im Einzelnen erinnern zu können. Er habe lediglich ausgesagt, dass er üblicherweise ein Verkehrsschild als Zielobjekt nehme, dass ca. 130 bis 150 m entfernt stehe. Die genaue Entfernung hänge vom Standort des Funkstreifenwagens ab, an den er sich aber nicht mehr erinnere. Danach sei nicht auszuschließen, dass die Entfernung zum Zielobjekt auch geringer als 130 m gewesen sei. Bei einer Unterschreitung von 130 m sei aber eine ordnungsgemäße Justierung der Zieleinrichtung nicht möglich.
Den Antrag lehnte das Gericht durch Beschluss in der Hauptverhandlung gemäß § 77 Abs. 2 OWiG mit der Begründung ab, dass die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Unter Berücksichtigung der durchgeführten Beweisaufnahme schließe das Gericht eine Fehlmessung aus.
Im angefochtenen Urteil wird ausgeführt, dass der Zeuge J. angegeben habe, er sei Messbeamter gewesen und habe "konkret an den Sachverhalt vorn 16.09,2007 keine Erinnerung mehr", Weiter heißt es dort: "Da gerichtsbekannt ist, dass der Zeuge J. über die notwendigen und ihm durch das Bildungsinstitut der Polizei Niedersachsen bescheinigten Kenntnisse zum Geschwindigkeitsmessgerät Riegl LR 901235 P verfügt und er für Geschwindigkeitskontrollen gerade am Standart "Am Borloch" über rountinemäßige Fähigkeiten verfügt, konnte das Gericht das Vorliegen einer Fehlmessung ausschließen, mit der Folge, dass ein Sachverständigengutachten hier nicht einzuholen war."
2.
Diese Begründung trägt die Ablehnung des gestellten Beweisantrages nicht.
Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG verpflichtet, die Wahrheit vom Amts wegen zu erforschen. Den Umfang der Beweisaufnahme hat der Amtsrichter - unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache (§ 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG) - nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. In § 77 Abs. 2 OWiG ist für die Beweisaufnahme im Bußgeldverfahren zudem eine über das Beweisantragsrecht der Strafprozessordnung (§ 244 Abs. 3 bis 5 StPO) hinausgehende Sondervorschrift normiert. Danach kann das Gericht, wenn es den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hält, einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung z...