Leitsatz (amtlich)

Ein öffentlicher Auftraggeber, der den Zeitplan für ein Europaweit auszuschreibendes Bauvorhaben von Vornherein „extrem knapp” bemessen hat, kann seinen Antrag auf Gestattung des sofortigen Zuschlags nicht darauf stützen, dass die zu erstellende Anlage bei Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nicht fristgerecht fertig gestellt werden kann, weshalb er mit erheblichen finanziellen Einbußen zu rechnen habe.

 

Normenkette

GWB § 115 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Bezirksregierung Lüneburg (Aktenzeichen 203 VgK 34/2002)

 

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr den sofortigen Zuschlag zu gestatten, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem OLG hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Wert: 1.152.769,74 Euro.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zwischenverfahrens um die Gestattung des Zuschlags gem. § 115 Abs. 2 S. 3 GWB.

I. Im Herbst 2001 erhielt die Antragsgegnerin den Zuschlag für die Durchführung des Schienenpersonennahverkehrs auf zwei Strecken zwischen … und … bzw. …. Der zur Zeit von der … durchgeführte Verkehr soll am 14.12.2003 aufgenommen werden. Für die Wartung der Lokomotiven und Waggons beabsichtigt die Antragsgegnerin ein Bahnbetriebswerk zu errichten. Zur Verwirklichung dieses Zieles stand der Antragsgegnerin ein „extrem knapp bemessener” Zeitraum zur Verfügung. Denn innerhalb von ca. zwei Jahren musste sie einen Standort nebst geeignetem Grundstück für das noch zu planende Bahnbetriebswerk finden, ein Planfeststellungsverfahren durchführen und den Bau ausschreiben.

Die Ausschreibung des Bahnbetriebswerks nebst umfangreicher Infrastruktur erfolgte unter dem 18.7.2002 Europaweit im offenen Verfahren. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, der Beigeladenen zu 1) den Zuschlag zu erteilen. Deren Angebot endete mit einem Betrag von 26.744.257,86 Euro, während die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2) mit 23.442.672,80 Euro bzw. 23.780.000 Euro schlossen.

Unter dem 31.10.2002 schloss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin aus. Sie stützte sich darauf, dass die Antragstellerin keine Angaben zu Art und Umfang des Einsatzes von Nachunternehmern gemacht habe. Entgegen der Ausschreibung habe die Antragstellerin teilweise Einheitspreise und eine zu kleine Zaunanlage kalkuliert.

Hiergegen hat sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsauftrag gewandt. Sie hält ihren Ausschluss für rechtswidrig.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Antragsgegnerin anzuweisen, der Beigeladenen zu 1) keinen Zuschlag zu erteilen;

2. die Antragsgegnerin anzuweisen, das ausgeschlossene Angebot der Antragstellerin in die Wertung einzubeziehen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer das Angebot zu werten;

3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

1. die Anträge auf Untersagung der Zuschlagerteilung und Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin in die Wertung als unzulässig zu verwerfen;

2. Der Antragsgegnerin unter Aufhebung des vorläufigen Verbots der Zuschlagerteilung zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung zu erteilen;

3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung aller abzuwägenden Umstände sei ihr Antrag auf Gestattung der Zuschlagerteilung begründet. Sie sei gegenüber der … verpflichtet, ab dem 14.12.2003 den Schienenpersonennahverkehr zwischen … und … sowie … und … sicher zu stellen. Gelinge ihr das nicht, so sei die Versorgung der Bevölkerung mit Schienenpersonennahverkehr auf den genannten Strecken nicht gewährleistet. Ihr drohe die Verwirkung von Vertragsstrafen. Schließlich stünde zu befürchten, dass die … vom Vertrag zurücktrete, so dass die Ausschreibung aus wichtigem Grund aufgehoben werden müsse. Auch wegen des bevor stehenden Winters müssten die Vorbereitungsarbeiten schnellstmöglich beginnen.

Die Vergabekammer hat den Antrag gem. § 115 Abs. 2 GWB zurückgewiesen und im Übrigen noch nicht entschieden. Sie hat ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, aber voraussichtlich nicht begründet. Denn die Antragstellerin sei ihrer Verpflichtung zur Benennung der zu beauftragenden Nachunternehmer in wesentlichem Umfang nicht nachgekommen. Auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrag komme es im Ergebnis aber deshalb nicht an, weil die Vergabekammer den sofortigen Zuschlags schon in einem von der Beigeladenen zu 2) eingeleiteten Nachprüfungsverfahren nicht gestattet habe.

Daraufhin hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Gestattung des sofortigen Zuschlags gem. § 115 Abs. 2 S. 3 GWB gestellt. Sie schließt sich den Ausführungen der Vergabekammer an, soweit diese zu dem Ergebnis kommt, der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin werde schon wegen der fehlenden Nachunternehmerangaben im Ergebnis keinen Erfolg haben. Auch die weiteren im Schreiben vom 31.10.2002 gen...

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