Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigengutachten als unvertretbare Handlung
Leitsatz (amtlich)
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung eines Grundstücks ist in der Regel eine unvertretbare Handlung i.S.v. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 887-888
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 12 O 172/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 600 EUR.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache keinen Erfolg.
Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 8.6.2012 die Hauptsache für erledigt erklärt, die Beklagte sich diesem Antrag aber nicht angeschlossen hatte, war die Erledigung des Zwangsvollstreckungsverfahren in der Hauptsache festzustellen und die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, wenn der Antrag des Klägers vom 30.4.2012 bis dahin zulässig und begründet war. Denn in den Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 887, 888 ZPO finden die von der Rechtsprechung zu Fragen der Erledigung in der Hauptsache entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rz. 7 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das LG die Erledigung in der Hauptsache mit Recht festgestellt. Der Antrag des Klägers vom 30.4.2012 war gem. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig. Die nach dem Teilurteil des LG Hannover vom 1.2.2012 vom Beklagten geschuldete Vorlage eines Sachverständigengutachtens über den Wert eines Grundstücks ist in der Regel eine nicht vertretbare Handlung. Denn die Erstellung eines solchen Gutachtens erfordert vom Schuldner nicht nur die Auftragserteilung an den Sachverständigen und dessen Bezahlung. Vielmehr sind in aller Regel Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers persönlich wie Herausgabe von Unterlagen betreffend das Grundstück oder Mitteilung früherer Umstände erforderlich, die den Wert des Grundstücks mit beeinflussen. Auch die von Zöller/Stöber, a.a.O., § 887 Rz. 3 Stichwort "Sachverständigengutachten", zitierte Entscheidung des OLG Köln in JurBüro 1995, 550, führt aus, dass ein auf Auskunft und Rechnungslegung lautender Titel nur dann nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist, wenn die Erfüllung des titulierten Anspruchs durch Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich ist, ohne dass es hierbei der Mitwirkung des Schuldners persönlich bedürfe. Ebenso haben sich das OLG Frankfurt OLGZ 1987, 480, und das LG Halle im Beschluss vom 6.3.2012 (4 O 1712/11-, dort auch unter Zitat weiterer obergerichtlicher Rechtsprechung; vgl. juris Rz. 1) für die grundsätzliche Anwendung von § 888 ZPO für den Fall der Verurteilung zur Vorlage eines Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung von Grundstücken ausgesprochen. Dem schließt sich der Senat an. Auch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Sachverständigenbüros O. vom 16.4.2012 nimmt im Übrigen auf S. 4 oben ausdrücklich Bezug auf Angaben der Beklagten als Auftraggeberin, nämlich zur Renovierung der Wohnung im Dachgeschoss in Bezug auf den Wertermittlungsstichtag bis zum Ortstermin und entsprechende Fotodokumentationen.
Der gem. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässige Antrag des Klägers vom 30.4.2012 war auch bis zur Erledigungserklärung begründet. Im Teilurteil der Kammer vom 1.2.2012 ist auch sowohl im Tenor als auch in den Entscheidungsgründen in der Sache und auch in der räumlichen Anordnung des Textes unmissverständlich unterschieden zwischen dem Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses einerseits und Erstellung eines Wertgutachtens über den Wert des Grundstücks in W. durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum Zeitpunkt des Erbfalls andererseits. Die hieran anknüpfende Auffassung des LG, dass sich die von der Notarin T. mit Schreiben vom 5.4.2012 erbetene Fristverlängerung nur auf die Erstellung des notariellen Bestandsverzeichnisses und nicht auf die Vorlage des Sachverständigengutachtens für die Wertermittlung des Grundstücks bezogen habe, ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 10.2.2012 der Beklagten eine angemessene Frist zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Teilurteil bis zum 10.4.2012 gesetzt. Die Einleitung des Verfahrens aus § 888 ZPO nach Ablauf dieser Frist war rechtens. Sie ist auch dann, wenn der Beklagte erklärt hat, seinen Verpflichtungen nachkommen zu wollen, nicht treuwidrig gem. § 242 BGB, wie das LG zutreffend ausgeführt hat.
Die Beschwerde musste deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden. Der Wert für das Beschwerdeverfahren ist mit der vorherrschenden Meinung im Falle einseitiger Erledigungserklärung (vgl. dazu Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rz. 16 Stichwort "Erledigung der Hauptsache") mit dem Wert der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahren bemessen worden.
Fundstellen