Leitsatz (amtlich)
Muss sich eine Partei zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs gegenüber einem Sachverständigen mit dem Inhalt des Sachverständigengutachtens auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 15.03.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, juris - Rdnr. 12).
Verfahrensgang
LG Bückeburg (Aktenzeichen 1 OH 6/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 17.10.2017 - auch in Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.01.2018 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf bis 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 406 Abs. 5, §§ 567, 569 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Ablehnungsgesuch ist allerdings - entgegen der Ansicht des Landgerichts - zulässig.
Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO).
1. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, NJW-RR 1987, 893). Eine solche Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen in einer Weise gestaltet, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können. Ergibt sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, muss der Partei eine angemessene Zeit zur Überlegung und zur Einholung von rechtlichem Rat zur Verfügung stehen. Auch wenn durch die zeitliche Begrenzung des Ablehnungsrechts gemäß § 406 Abs. 2 ZPO bezweckt werden soll, der Verzögerung von Prozessen durch verspätete Ablehnungsanträge entgegenzuwirken, ist andererseits zu bedenken, dass der Anspruch einer Prozesspartei auf einen aus ihrer Sicht unparteiischen Sachverständigen unmittelbarer Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist und die Durchsetzung dieses Anspruchs nicht durch verfahrensrechtliche Hürden unangemessen erschwert werden darf.
Vor diesem Hintergrund darf die Frage nach der Rechtzeitigkeit eines Ablehnungsantrags nicht ausschließlich von der Beurteilung der Umstände des Einzelfalles durch das Prozessgericht abhängig gemacht werden. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit muss die Partei wissen, welcher Zeitraum ihr zur Prüfung des Gutachtens in jedweder Hinsicht zur Verfügung steht. Muss sich die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab (BGH, Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, juris-Rdnr. 12).
2. So verhält es sich auch hier. Der Befangenheitsantrag gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen ist am vorletzten Tag (10.7.2017) der verlängerten Frist zur Stellungnahme (bis zum 11.7.2017) eingegangen und damit rechtzeitig gestellt worden. Der Antragsgegner hat seinen Antrag mit Darlegungen aus dem Gutachten begründet. Die Auseinandersetzung mit dem Gutachten war demnach Voraussetzung des Ablehnungsgesuchs. Insoweit ist ein unterschiedlicher Fristlauf für die Stellungnahme zum Gutachten und die Einbringung eines Ablehnungsgesuchs sachlich nicht zu rechtfertigen (entsprechend auch BGH, Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, juris-Rdnr. 13; insb. gegen OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2004 - 16 W 16/04, MDR 2004, 709). Das gilt entsprechend für die Wiederholung des Ablehnungsgesuchs im Schriftsatz vom 26.09.2017 nach Kenntnisnahme der weiteren Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.08.2017, weil der Schriftsatz innerhalb der weiteren Stellungnahmefrist bis zum 29.09.2017 (Bl. 552 d.A.) am 26.09.2017 eingegangen ist (Bl. 564 d.A.).
Die im Nichtabhilfebeschluss vertretene andere Ansicht (unter Verweis auf Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 406 Rn. 11 mwN) setzt sich nicht näher mit den unter Ziff. I.1 dargelegten Grundsätzen und auch damit auseinander, dass zumindest in umfangreichen Sachverhalten und Begutachtungen - wie hier - ein zweigleisiger Fristlauf nicht sachgerecht erscheint. Die Parteien müssten unter Ansatz dieser Meinung zunächst etwaige Ablehnungsgründe prüfen und diese sodann unverzüglich geltend machen, danach aber - unter Bezug auf die Ablehnung jedoch nur vorsorglich und hilfsweise - in die weitere Sachprüfung des Gutach...