Leitsatz (amtlich)

Zieht der Auftraggeber für die Vorbereitung der Ausschreibung, die Auswertung der Angebote und die Ausarbeitung eines Vergabevorschlags einen sachkundigen Dritten hinzu, so dürfen keine Umstände vorliegen, aufgrund derer der Dritte dazu neigen kann, die ihm übertragenen Aufgaben nicht frei von subjektiven Interessen zu erfüllen. Ein solcher Umstand kann darin liegen, dass sich das Honorar des hinzugezogenen Dritten nach den durch die Vergabe erzielten Einsparungen im Folgenden Jahr bemisst.

Gibt bei der Ausschreibung von Versicherungsleistungen ein Versicherungsunternehmen das Angebot auch im Namen eines anderen Versicherungsunternehmens ab (Mitversicherung), so kommen im Fall des Zuschlags Versicherungsverträge mit beiden Unternehmen zustande. Deshalb muss das handelnde Versicherungsunternehmen von dem anderen zur Abgabe des Angebots bevollmächtigt sein. Die Vollmacht muss bei Abgabe des Angebots vorliegen. Ihr Nachweis kann regelmäßig während des Vergabeverfahrens nachgeholt werden.

Zur Frage, ob ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A vorliegt, wenn bei der Ausschreibung von Gebäude- und Inventarversicherungen dem Bieter die Möglichkeit eröffnet wird, das Terrorisiko ganz oder teilweise auszuschließen oder nur eingeschränkt zu versichern.

Die Feststellung, dass dem das Nachprüfungsverfahren beantragenden Unternehmen aus der behaupteten Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 GWB), setzt regelmäßig nicht voraus, dass das Unternehmen gem. § 13 VgV bereits dahin informiert worden ist, dass es den Zuschlag nicht erhält.

Der Bieter hat grundsätzlich einen Anspruch im Sinn des § 97 Abs. 7 GWB darauf, dass der Auftraggeber den Zuschlag nicht unter Verstoß gegen § 25 Nr. 2 Abs. 2, 3 VOL/A auf ein Angebot erteilt, dessen Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht.

 

Verfahrensgang

Bezirksregierung Lüneburg (Beschluss vom 24.09.2003; Aktenzeichen 203 VgK 17/2003)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung … vom 24.9.2003 in der Kostenentscheidung (Ziff. 2 des Beschlusstenors) und insoweit aufgehoben, als die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag wegen der Rüge zurückgewiesen hat, dass der vom Auftraggeber beauftragte Versicherungsberater … in unzulässiger Weise an dem Vergabeverfahren mitgewirkt habe.

Der Auftraggeber wird verpflichtet, die erneute Wertung der Angebote durchzuführen, ohne den Versicherungsberater … zu beteiligen und ohne auf die Prüfung und Auswertung der Angebote durch den Versicherungsberater … und auf seinen Vergabevorschlag zurückzugreifen.

Die weiter gehende Beschwerde der Antragstellerin und die Beschwerde des Auftraggebers, soweit diese sich nicht gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer richtet, werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschl. der notwendigen Auslagen der Antragstellerin bzw. des Auftraggebers haben die Antragstellerin drei Fünftel und der Auftraggeber zwei Fünftel zu tragen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschl. der notwendigen Auslagen der Antragstellerin bzw. des Auftraggebers haben die Antragstellerin drei Viertel und der Auftraggeber ein Viertel zu tragen.

Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragstellerin und für den Auftraggeber notwendig gewesen ist.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 19.472,12 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Landkreis … schrieb im April 2003 Gebäude- und Inventarversicherungen für den Zeitraum 1.3.2004 bis 1.3.2007 Europaweit im offenen Verfahren aus. Nebenangebote und Änderungsvorschläge sollten berücksichtigt werden. Als Zuschlagskriterien waren in den Bewerbungsbedingungen die Prämienhöhe, der Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes sowie die angebotenen Service-Dienstleistungen genannt. Den Ausschreibungsunterlagen waren „Hinweise zur Angebotserstellung” beigefügt, in denen es u.a. heißt:

„Ausschluss von Terrorschäden

Soweit für einzelne Versicherungsorte aus Sicht der Anbieter der Ausschluss von Schäden durch Terror notwendig ist, sollte dies gesondert unter Nennung der entspr. Ziff. (Liste der Versicherungsorte) kenntlich gemacht werden. Der Text der Terrorausschluss-Klausel ist in diesem Fall beizufügen.

In diesem Fall sollen die Prämien für den Wiedereinschluss genannt werden.

Soweit die Terrorgefahr nur eingeschränkt (z.B. mit Sonderkündigungsrecht) versichert werden kann, ist dies gesondert anzubieten.”

Der Auftraggeber hatte für die Vorbereitung und Begleitung der Ausschreibung und für die Auswertung der Angebote und die Erstellung eines Vergabevorschlags den Versicherungsberater … hinzugezogen. Die Vergütung des Versicherungsberaters sollte nach Beratertagen erfolgen. In einer ergänzenden Vereinbarung verpflichtete sich der Versicherungsberater, „im Vorfeld der Ausschreibung sicherzustellen, dass sich leistungsstarke und preisgünstige Anbieter an der Ausschreibung beteiligen und entsprechende Angebote abgeben”....

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