Leitsatz (amtlich)
Eine Anordnung im Einzelfall gem. § 84 Abs. 2 Satz 1 StVollzG liegt vor, wenn sich aus ihr Ort, Zeit, Anlass und Umfang der Maßnahme ergeben und der Kreis der Betroffenen zweifelsfrei bestimmt ist; einer besonderen Anordnung für jeden einzelnen Betroffenen unter namentlicher Nennung bedarf es nicht.
Abwesend i.S.v. § 84 Abs. 2 Satz 4 StVollzG sind Mitgefangene auch dann, wenn sie sich in dem selben geschlossenen Raum aufhalten, in dem der Betroffene durchsucht wird, ihnen jedoch die Sicht auf die Durchführung sicher verwehrt ist.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg zurückverwiesen.
Der Streitwert für beide Instanzen wird auf 100,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung des Antragstellers gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
Nach den Gründen des angefochtenen Beschlusses wurde nach umfangreichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts illegaler Geschäfte eines Justizbediensteten mit den in der Justizvollzugsanstalt S... einsitzenden Strafgefangenen auf Anordnung des Justizministeriums die Durchsuchung dieser Anstalt angeordnet. Daraufhin durchsuchten über 70 Vollzugsbedienstete am 7. November 2003 die Hafträume, darunter auch den Haftraum 23 der Station II im Obergeschoss, in dem der Antragsteller und zwei weitere Strafgefangene untergebracht waren. Entsprechend einer Anordnung des Leiters des besonderen Sicherheitsdienstes und der Leitung der Justizvollzugsanstalt wurden die Gefangenen vor Verlassen des Haftraumes einer mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung unterzogen und sodann in einen anderen Teil der Anstalt verbracht, während die Hafträume durchsucht wurden.
Mit seinem Antrag vom 10. November 2003 begehrte der Antragsteller die Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten körperlichen Durchsuchung mit der Begründung, weder habe Gefahr im Verzug vorgelegen noch eine auf seine Person bezogene Einzelfallanordnung des Anstaltsleiters. Zudem seien bei seiner Durchsuchung die anderen beiden in dem Haftraum untergebrachten Strafgefangenen anwesend gewesen.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag zurückgewiesen. Sie hat dazu ausgeführt, die Voraussetzungen für eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung gemäß § 84 Abs. 2 StVollzG hätten vorgelegen, und die Durchsuchung sei in zulässiger Weise durchgeführt worden. Auch habe der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung dargelegt; konkrete Wiederholungsgefahr sei seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.
Mit der in zulässiger Weise eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer.
1.
Soweit die Strafvollstreckungskammer die Darlegung konkreter Wiederholungsgefahr durch den Antragsteller zum Nachweis berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung vermisst und den Antrag deswegen - ohne dies ausdrücklich als unzulässig auszuführen - zurückgewiesen hat, ist die Zulassung zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung geboten, weil insoweit von der obergerichtlichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (in ZfStrVo 1987, 120 - LS -) - der der Senat sich anschließt - abgewichen wird, wonach bei der Behauptung rechtswidriger Entkleidungsdurchsuchungen in Anwesenheit von Mitgefangenen ein besonderes Feststellungsinteresse nicht dargetan werden muss, weil eine solche Maßnahme als Verletzung der Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG diskriminierenden Charakter hat.
2.
Die Begründung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Entkleidungsdurchsuchung im vorliegenden Falle begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar ist in dem angefochtenen Beschluss Gefahr im Verzuge als Grund der Anordnung nicht ausgeführt. Jedoch wird mitgeteilt, dass und warum die Durchsuchung auf Grund einer Einzelanordnung des Anstaltsleiters i. S. von § 84 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. StVollzG stattgefunden hat, wobei es für eine solche genüge, "wenn durch sie der Ort, die Zeit, Art und Umfang der vollzuglichen Maßnahme sowie der Kreis der von ihr Betroffenen so abgegrenzt wird, dass dadurch für den denkbaren Einzelfall geregelt ist, worin die Maßnahme im Einzelnen besteht und welcher Strafgefangene ihr unterworfen sein soll." Diese Beurteilung trifft zu, einer besonderen, allein den Antragsteller betreffenden und ihn namentlich nennenden Anordnung bedurfte es nicht (vgl. OLG Nürnberg NStZ 1982, 526; OLG Bremen NStZ 1985, 143; OLG Koblenz ZfStrVo 1996, 55; Kühling/...